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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt
Autoren: Dennis Gastmann
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rasten aus. Sie werfen die Arme in den Himmel, johlen, und wer eine Frau hat, der fegt mit ihr über den Asphalt.
    Die Akkorde verhallen. «Otra, otra! Zugabe!», rufen die Leute, und der Gitarrero spielt ein leises Lied. Ganz langsam, ganz sachte. Dazu erzählt er eine Geschichte, und um ihr zu folgen, muss man kein Spanisch verstehen. El Negro redet von seiner Mutter, die verstorben ist. Von den Nächten, die er durchweint hat, und von der Frau, die ihn tröstete.Und während er diese Worte spricht, bekommt der eineiige Macho neben mir glasige Augen. Ich blicke mich um und sehe, dass auch der bärtige Cowboy weint. Und ebenso der Gaucho, dessen Frau angeblich gerade zu Hause putzt und kocht. Plötzlich heulen zehn, zwanzig Machos hemmungslos im Chor. Ihre Tränen fließen in einen Bach, und dieser Bach fließt direkt in mein Herz. Ein echter Mann darf nicht nur Gefühle zeigen. Er muss.

EPILOG
«WO BIST DU GEWESEN?»
    STARKE GEFÜHLE
    Ich hatte nie eine Schwäche für Marmeladenbrötchen. Schon gar nicht mit Butter. Butter und Marmelade – ein ähnliches Gemisch hat BP im Golf von Mexiko angerührt. Unten: ein Schmierteppich. Oben: leblose Klumpen. Aber leider gibt es Menschen, die meine kleine Extravaganz nicht tolerieren.
    «Mein lieber Dennis, jetzt bist du zwei Jahre weg gewesen und hast nix gelernt. Das ist doch gute Butter!»
    Zurück am Frühstückstisch von Wilma Brunkhorst. Das kleine, freundliche Ungeheuer vom Deich mit den falschen Zähnen und den echten Gefühlen, die Frau, mit der alles begann. Nächste Woche feiert Wilma ihren 88.   Geburtstag.
    «Hier hat sich ja nicht viel verändert.»
    «Was soll sich bei mir auch noch verändern?»
    Vor Wiedersehensfreude hätte mich Wilma eben fast erdrückt. Am immer noch strahlend grünen Scheunentor zog sie mich mit einem Arm zu sich in die Tiefe und hielt mich so fest, dass mir schwarz vor Augen wurde. Um ein Haar hätten wir beide uns nie wiedergesehen, vor drei Tagen ist Oma Brunkhorst im Badezimmer böse gestürzt.
    «Und weißt du, warum?»
    «Nee.»
    «Dann will ich dir das mal erzählen. Ich hatte einen Frosch im Bad!»
    «Einen Frosch?»
    «Ja! Seit Tagen. Den wollte ich packen, aber ich hab ihn einfach nicht erwischt. Und als ich ihn endlich auf der Schaufel hatte, bin ich hingefallen.»
    «Auf den Boden?»
    «Auf den Beton. Da lag ich dann in einer riesigen Blutlache und dachte: Jetzt ist es aus. Ich hatte mich schon aufgegeben.»
    «Und dann?»
    «Dann bin ich aufgestanden, hab mir das Blut aus dem Gesicht gewischt, und weiter ging’s.»
    Zum Glück zeugen heute nur noch dezente Spuren von diesem Frosch-Massaker: eine kleine Kruste an Wilmas Nase und ein blauer Rand über dem linken Auge. Ich schenke uns beiden einen Kaffee ein. Wilma sagt, sie habe ihn bereits vor einer Stunde gekocht und er sei nun leider kalt. Aber kalter Kaffee mache hübsch, und das könnten wir schließlich beide gut gebrauchen. Na ja, hoffentlich macht auch die abgelaufene Kaffeesahne hübsch, sie flockt nämlich ganz bedenklich.
    «Schön, dass du da bist, mein Dennis. Ich dachte schon, du hättest mich vergessen. Sach mal, wo bist du überall gewesen?»
    «Überall. Auf jedem Kontinent. Europa, USA, Asien, Afrika, Australien, Südamerika   …»
    «Und was gab’s da zu essen?»
    «Ähm, wo genau?»
    «Na, im Ausland. Hattest du gut zu essen?»
    Essen. Warum nicht, ich erzähle ihr von phallischem Gebäck aus Frankreich, von Gefängnisschleim an texanischen Frühstücksbuffets und von Kängurufleisch, das fast genauso schmecke wie Rind.
    «Ach ja: Und in Asien essen sie frittierte Entenköpfe!»
    «Mit Schnabel?»
    «Mit Hals und Schnabel.»
    «Nee, dann wollen wir mal lieber in Deutschland bleiben.»
    Wilma schiebt sich die untere Hälfte ihres Erdbeermarmeladenbrötchens ins Gebiss. Wieder dieses Geräusch.
    «Wilma, ich habe all deine Fragen beantwortet.»
    «So? Was wollte ich denn wissen?»
    «Zum Beispiel: Warum ist der Neger schwarz?»
    «Ja, stimmt. Aber das kannst du doch nicht ernsthaft fragen!»
    «Das war doch deine Frage!»
    «Aber das sagt man doch nicht! Das sind Schwarze. Oder Farbige. Aber doch keine Neger. Na ja, und was ist die Antwort?»
    «Vitamine. Unsere Haut ist heller, weil die Sonne nicht so stark scheint wie in Afrika. Und helle Haut kann Vitamine besser aus der Sonne filtern.»
    «Das ist ja einfach.»
    «Hat mir ein Professor aus Äthiopien verraten.»
    «Na, wenn das ein Professor sagt, dann muss er es ja wissen. Aber eins verstehe ich
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