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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht
Autoren: Reinhard Berk
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damit herumschlagen, konnte nicht irgendwo in der Stadt ein Raubmord passieren.
    "Sandra, Liebelein! Schreib Du mir irgendwas, ja?"
    "Och, Richiiiiie...", sie zog das i endlos.
    "Na ja, wird mir schon was einfallen. Aber ich schreibe das erst morgen, dafür gibt es heute eine Stunde mehr, die hab ich mir verdient nach dem Mist." Richard meinte das völlig ernst. Für den anstehenden Ärger nahm er sich das Recht, seine heutige Arbeitszeit einfach um eine Stunde auf der Stechuhr zu verlängern. Diese Verfahrensweise hatte er sich über die Jahre angeeignet. An besonders stressigen Tagen belohnte er sich durchaus mal mit der ein oder anderen Arbeitsstunde zusätzlich und immer, wenn er glaubte, bei einer Beförderung übergangen worden zu sein, bewegte sich sein Stundenkonto in den kommenden Monaten kontinuierlich in die Höhe. Mit der Gleitzeit hatte er es nicht so und seiner Meinung nach entgangene Gehaltserhöhungen, rechnete er mit den Überstunden wohlwollend zu seinen Gunsten auf. Die bescheißen sich nur selbst , so seine Denkweise, warum also Stress machen?
    "Morgen fahren wir beide nach Montabaur, Herr Kommissar “, sagte Sandra und fing an, ihren Schreibtisch feierabendmäßig aufzuräumen.
    Richard schaute sie überrascht an: "Und was sollen wir da? Ist eine Kuh erschossen worden?", fragte er despektierlich.
    "Nee, wir haben eine Vermisstenmeldung."
    Es entstand eine ganz kurze Pause.
    "Eine Vermisstenmeldung in Montabaur? Was haben wir mit Montabaur zu tun, sind die Kollegen dort etwa auch alle krank und im Urlaub?"
    "Keine Ahnung Richard, ich habe hier nur den Bericht."
    "Und ...?"
    "Und was?" beantwortete Sandra seine Frage mit einer Gegenfrage, obwohl sie genau wusste, auf was Richard hinaus wollte .
    "Na ja, was wird vermisst? Hund, Katze, Kind, Mann, Frau, Wellensittich?"
    "Ein Mann! Hier! Kannst du selbst mal lesen", antwortete Sandra und legte ihm im Vorbeigehen die Meldung auf den Schreibtisch. "Bis Morgen!" Und weg war sie im Feierabend.
    "Tschau “, flüsterte Richard eher mehr zu sich selbst, während er das Schreiben überflog.
    Ein 45-jähriger, lediger Mann wurde als vermisst gemeldet. Er schüttelte den Kopf und musste lächeln. Ein 45-jähriger Mann! Wahrscheinlich vögelt er sich bei irgendeiner Frau den Riemen wund , dachte er sich. Aber etwas musste dran sein an der Sache, warum sollte die Kripo Koblenz sonst die Kollegen aus dem Westerwald unterstützen? Richard Mees las den Bericht mit der gebotenen Sorgfalt. Er fand bald des Rätsels Lösung. Von übergeordneter Stelle, sprich Staatsanwaltschaft, war der dringende Wunsch nach Überprüfung der Angelegenheit auf dem kleinen Dienstweg an die Mordkommission Koblenz herangetragen worden. Es gab zwar noch keinerlei bestätigte Verdachtsmomente, die auf ein Verbrechen oder eine Suizidgefahr hinwiesen, aber den Beamten in Montabaur war die ganze Angelegenheit äußerst suspekt vorgekommen. Sie hatten bei ihren Ermittlungen im Umfeld keinerlei Anhaltspunkte dafür ausmachen können, warum der Vermisste urplötzlich verschwinden sollte. Aber wenn es sich bei dem Gesuchten um einen allseits bekannten, aufstrebenden Kommunalpolitiker und erfolgreichen Unternehmer handelt, werden die Vorschriften schon mal sehr großzügig ausgelegt und Prioritäten etwas anders gelagert. Kriminalkommissar Mees war es egal, so entkam er morgen wenigstens wieder für ein paar Stunden der Tristesse des Büros. Wie oft schon hatte er solche Anzeigen bearbeitet? Außer einer Menge Schreibkram und einer schönen Tour über Land kam doch nie etwas dabei heraus. Der Typ tauchte, spätestens, wenn er keine Lust mehr auf die Frau hatte, wieder zu Hause auf und nach einiger Zeit fand sich eine Meldung darüber auf dem Schreibtisch. Manchmal auch nicht. Das war es dann. Ach, warum konnte er nicht in Sao Paulo oder Neapel Dienst tun, dort passierte alle zwei Stunden ein Mord . Und er? Er musste sich mit einem albernen Feuer und mit erwachsenen Ausreißern rumschlagen.
    Richard hatte Hunger und vor allen Dingen hatte er Durst, Durst auf ein großes Bier. Er schleuderte den Vorgang mit der Eleganz eines Frisbyspielers zurück auf seinen Schreibtisch und verließ gegen halb sieben das Büro. Er konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, dass die Fahrt in den Westerwald ihm den aufwühlensten Fall seiner Polizeikarriere bescheren würde.

    *

16.06.1994.
    "Sich den Schwanz lutschen zu lassen, kostet ab jetzt, und wenn man ihn sich von einem kleinen Jungen lutschen lässt, ist
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