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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht
Autoren: Reinhard Berk
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Hebs und das im Schein des Lichts umherfleuchende Kleinstgetier von der aufgeladenen und erhitzten Atmosphäre. Es war, als hätte sich eine schwülstige Nebelschwade im Raum ausgebreitet.
    "Was ist los? Ich hab alles für euch getan. Einen besseren Job kannst du gar nicht haben , Friedhelm! Und du Uwe, du wärst doch längst wieder im Gefängnis oder in der Gosse, wenn ich nicht dafür gesorgt hätte, dass du hier bleiben konntest. Ihr seid verrückt. Nur wegen der Tussi? Was ist das überhaupt für eine?" Frank Baumel merkte, wie sich ihm die Nackenhaare stellten. Er redete sich gerade in Rage, als Nicoletta ihm ins Wort fiel:
    "Ich habe Uwe die Augen geöffnet", sagte sie ganz ruhig, aber umso eindringlicher. "Sie haben ihr Vergnügen, während er die Drecksarbeit für sie macht und Sie speisen ihn mit einem Taschengeld ab. So geht es nicht. Ab jetzt gelten unsere Tarife , und wenn Sie das nicht einsehen, machen wir Sie fertig."

    *

    Frank Baumel war fast 1,90 m groß und recht breit gebaut, was nicht bedeutete, dass er dick war, aber er wirkte mehr als korpulent. Er war kein attraktiver und schon gar kein, an herkömmlichen Maßstäben gemessen, schöner Mann. Sein, auf einem massigen Hals, wie aufgesetzt wirkender, runder Kopf, mit dem schmallippigen breiten Mund und der hellen, rosa schimmernden Gesichtsfarbe, erinnerte all seine Neider an ein Schweinchen. Die stets glänzende Halbglatze und das restliche auf "Borstenlänge" kurz geschnittene, hellblonde Haar taten ein Übriges dazu.
    Baumel hatte es zu beträchtlichem Vermögen gebracht. Nach dem Abitur begann er , an der Gutenberg Universität in Mainz Englisch und Geschichte zu studieren. Sein Traum war es, Lehrer zu werden. Irgendwie fühlte er sich schon immer zu Kindern hingezogen, besonders zu den Jungen. Der Umgang mit ihnen machte ihn sicherer. Von den Hänseleien, die er in der Schulzeit trotz, aber auch wegen seiner imposanten Figur über sich ergehen lassen musste, hatte er genug. Bei den Kindern fühlte er Respekt und Bewunderung. Als sein Vater, der ein kleines Bauunternehmen in Montabaur führte, 1974 unerwartet verstarb, brach er das Studium nach endlosen Diskussionen mit seiner Mutter ab und übernahm auf ihren Wunsch hin, die Leitung des kleinen Betriebes. Es war nicht so, dass er ins kalte Wasser geworfen wurde, denn er hatte schon seit einigen Jahren in den Schul- und Semesterferien im Betrieb gearbeitet, oder besser gesagt, arbeiten müssen. Frank Baumel kannte den festen Mitarbeiterstamm und legte bei der Arbeitsorganisation viel Talent an den Tag. Sein Vater schätzte seinen Rat bei der Erstellung von Angeboten und wunderte sich immer wieder, welche Aspekte sein Sohn bei einer Ausschreibung berücksichtigte. Die Verwunderung steigerte sich umso mehr, wenn Baumel sen. feststellte, wie erfolgreich er bei Submissionen mit Angeboten abschnitt, an denen sein Sohn mitgearbeitet hatte. Das Handwerkliche lag Frank Baumel hingegen weniger, doch die Eignung als Geschäftsmann konnte ihm niemand absprechen. 1974 beschäftigte die Heinrich Baumel Hoch- und Tiefbau GmbH elf Mitarbeiter. 1994 waren es dreihundertzweiundfünfzig, davon zweihundertsechzehn im Osten der Republik. In Dessau, Sachsen Anhalt, hatte Frank Baumel 1990 eine Niederlassung eröffnet, die sich rasch, zu einem stetig wachsenden und dem Aufbau Ost verpflichtenden Unternehmen entwickelt hatte. Frank Baumel hatte schnell erkannt, welch großartige Chancen sich ihm im boomenden Ostdeutschland boten.
    Die Baumel Baumaterial GmbH & CoKG zählte weitere dreiundsechzig Mitarbeiter, die sich auf drei Baumärkte in Montabaur, Hachenburg und Dessau verteilten. Außerdem war Baumel an zwei Steinbrüchen im Westerwald, einem Lavawerk in der Eifel und zwei Kiesgruben in der näheren Umgebung seiner Niederlassung in Sachsen Anhalt beteiligt. Sein unternehmerisches Geschick hatte ihn zu einem wohlhabenden Mann gemacht. Wie vielen Selfmademännern reichte Baumel der wirtschaftliche Erfolg allein irgendwann nicht mehr und er begab sich auf das Parkett der Kommunalpolitik. Erfolgreiche Männer sind bei den Parteien immer gern gesehen. Ihr Glanz strahlt ab und was ist werbewirksamer als Erfolg?

    *

16. 06. 1994
    Seine ständig wachen Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen und vom Dauerlächeln, das sich Personen, die im öffentlichen Fokus stehen, über die Jahre aneignen, war nichts mehr übrig geblieben. Baumel war ein intelligenter Mann. Er analysierte, was alles für ihn auf dem
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