Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht
Autoren: Reinhard Berk
Vom Netzwerk:
entschied sich für die Route über die A3. Sein Ziel war Holland, genauer gesagt Zandvoort. Oder noch genauer, das Meer. Außer Spanien, was etwas außerhalb seiner angestrebten Reichweite lag, war Zandvoort der einzige Ort mit Meereszugang, der ihm persönlich bekannt war. Als er die Rheinbrücke überquert hatte, entspannte er sich und trank einen der Jägermeister, dann öffnete er die nächste Büchse Bier und spürte eine angenehme Befriedigung in sich aufsteigen. Wenn alles glattging, war er in vier Stunden am Strand. Vielleicht sogar etwas schneller. Seine Reise entwickelte sich zu einer lockeren nächtlichen Sommerfahrt mit erfreulich wenig Verkehr, die er mit der Beschallung von Aerosmith und im Bewusstsein genügend Getränke dabei zu haben mehr und mehr genoss. Hinter Oberhausen, als die vorbei ziehende Landschaft nur noch einer Scheibe glich, hatte er die letzten Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns weggetrunken. Die immer größere Entfernung zu Koblenz tat ein Übriges. Es war zwar 15 Jahre her, dass er das letzte Mal diese Strecke gefahren war, aber Angst, das Ziel zu verfehlen, hatte er in keiner Sekunde. Einfach Richtung Amsterdam und der Rest wird sich finden. Nach drei Stunden glaubte er die Lichter der Vorstädte und Industriegebiete links neben sich, zu sehen. Erste Schilder, die auf Harlem hinwiesen, tauchten auf und Richard wusste, dass er richtig war. Darauf ein Bier. Ab Harlem war Zandvoort beschildert. Problemlos näherte er sich seinem Ziel. In Zandvoort hielt er sich einfach Richtung Circuit und plötzlich erkannte er die Örtlichkeiten wieder. Er glaubte, das Meer schon im Auto riechen zu können!
    Parkplätze gab es um diese Zeit , sogar in der ersten Reihe, mit Blick aufs Meer noch zur Genüge. Die Tagestouristen und Badegäste kamen später, die meisten erst gegen Mittag. Richard stellte den Motor ab und blieb im Wagen sitzen. Er war überwältigt von dem Schauspiel, welches ihm von der See geboten wurde.
    Es war inzwischen kurz vor vier. Der Himmel war ausreichend hell, um bis zum Horizont sehen zu können. Er erkannte sogar die Positionsleuchten von Schiffen, die dort draußen ganz am Rande, dort wo Meer und Nachthimmel eins wurden, kreuzten. Richard stieg aus mit der letzten, nun fast leeren Büchse Bier in der Hand. Jetzt nahm er den Geruch wirklich wahr. Es war überwältigend. Für ein Landei, wie ihn, der sich immer nach Meer gesehnt hatte, aber sich aus den verschiedensten Gründen seit später Jugend den Traum nicht mehr erfüllt hatte, ein grandioses Gefühl. Richard vergaß für den Moment den Grund, warum er überhaupt hier hoch gefahren war. An den Fall, an Mathae und selbst an Sandra dachte er in diesem Augenblick nicht, zu sehr nahm ihn das dargebotene Schauspiel in Beschlag. Dazu diese Ruhe und der leichte, angenehme Wind, der einfach an solch einem Ort dazugehört. Perfekt! Es war ein ganz großer Moment für Richard und das spürte er. Er lehnte sich an die Motorhaube, trank Weizenbier und ließ sich berauschen von diesem gewaltigen Anblick. Genauso hatte er es sich vorgestellt, als er zu Hause losfuhr. Jetzt rauchen, das würde allem die Krönung aufsetzen. Er zündete sich eine der viel zu vielen Zigaretten an, nahm die Wodkaflasche vom Beifahrersitz und schloss den Wagen ab. Ihm war trotz des stetigen Windes sehr angenehm. Richard ging einer, mit aus kleinen Holzbohlen provisorisch angelegten Treppe zum Strand hinunter. In der Mitte fiel ihm ein, dass professionelle Strandbesucher immer barfuß laufen, also zog er seine Schuhe und die Socken aus. Dabei lachte er vor sich hin und schüttelte den Kopf.
    Er ging soweit n ach vorne, dass das Wasser, das in regelmäßigen, sanft auslaufenden Schüben von den Wellen, Richtung Ufer getrieben wurde, seine Knöchel gerade ein klein wenig umschmeichelte. So ging er mehrere Hundert Meter am Strand entlang. Den nassen Sand unter seinen nackten Füßen empfand er dabei als wohltuenden Laufbelag. Niemand begegnete ihm. Von Ebbe und Flut hatte er keine Ahnung, aber er wusste, dass es das geben sollte, deshalb zog er sich von der Wasserlinie zurück in Richtung, der alle hundert Meter erbauten Strandpavillions. Zwischen zweien von ihnen setzte er sich in den Sand. Hier wollte er der Bestimmung seines Ausflugs nachkommen. Über alles nachdenken und sich dabei schön wegbeamen. Richard trank gierig. Wodka lässt sich gut trinken und es kostete ihn keine Überwindung, tiefe Züge aus der Flasche zu nehmen. Die Wirkung ließ nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher