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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht
Autoren: Reinhard Berk
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stehenden Ermittlungsteams, hervorzuheben. Oberstaatsanwalt Koepp war der König von Montabaur.
    "....und deshalb ist höchst wahrscheinlich davon auszugehen, dass es sich um ein Kapitalverbrechen handelt", schloss er seine Rede ab, lehnte sich etwas zurück und wartete auf Fragen aus dem Auditorium.
    Die Presseleute machten sich Notizen und murmelten dabei fortwährend untereinander.
    Dann kam plötzlich eine unerwartete Frage.
    "Neben den von Ihnen erwähnten Opfern dringen Gerüchte durch, dass eine weitere Leiche gefunden wurde, ein Kind! Was können Sie uns darüber sagen, Herr Staatsanwalt?", fragte ein, wie immer aus Polizeikreisen bestens informierter Reporter der BILD-Zeitung.
    Mathaes Tod fing inzwischen an, die Runde zu machen, obwohl es von offizieller Seite noch keine Verlautbarung oder gar Erklärung darüber gab.
    Koepp hatte aus zweierlei Gründen, das Schicksal des Jungen bisher nicht erwähnt. Zum einen hatte er die Vermutungen, die Mees hinsichtlich der Durchsuchung in Baumels Haus geäußert hatte, noch im Hinterkopf und wollte jeglichen absurden Verdächtigungen in der Öffentlichkeit keine neue Nahrung geben. Zum anderen hatte er es, in seiner Euphorie, über die aus seiner Sicht vollkommen gelungenen Polizeiaktion, schlichtweg unterschlagen.
    "Äh , ...", der Oberstaatsanwalt kam sofort ins Schlingern, als er mit der Frage konfrontiert wurde. "Entschuldigen Sie bitte, dass ich aus ermittlungstechnischen Gründen, über das Schicksal des Kindes... ...eines Jungen übrigens, soviel kann ich preisgeben ... ... noch nichts sagen möchte. Aber ich kann und muss ihnen leider bestätigen, dass im Rahmen der gestrigen polizeilichen Maßnahmen die Leiche eines Jungen auf dem Speicher des Jugendheims gefunden wurde. Das stimmt leider. Inwieweit der Tod mit den Geschehnissen der letzten Tage zusammenhängt, darüber kann ich Ihnen beim besten Willen noch keine Auskunft geben. Soweit sind unsere Untersuchungen noch nicht vorangeschritten, aber wir arbeiten mit Hochdruck. Es wäre verfrüht, irgendwelche vagen Zusammenhänge zu konstruieren. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Junge durch einen tragischen Unfall ums Leben kam. Wie gesagt, wir arbeiten daran."
    Richard spürte Koepps Unbehagen. Im Kommissar fing es an zu brodeln. Sein Adrenalinspiegel stieg. Für ihn waren die Zusammenhänge klar. Baumel war ein pädophiles Schwein gewesen und Koepp versuchte offenbar aus eigenem Interesse heraus, Indizien gegenüber der Öffentlichkeit zurückzuhalten.
    Mit zusammengekniffenen Augen fixierte Richard Mees den Oberstaatsanwalt. Außer ihm bemerkte keiner dessen aufkeimende Verunsicherung. Koepp schaute in die Runde und sein Blick blieb bei Mees hängen. Der Kommissar glaubte, ein Grinsen in dessen Gesicht zu erkennen. Vielleicht war es Einbildung, aber dieses Gefühl verstärkte das Köcheln in ihm. Jetzt war seine Chance da. Er musste nur noch zugreifen. Eine innere Zerrissenheit bemächtigte sich seiner, sie schien ihn hin und her zu schleudern. Jetzt hatte er die Möglichkeit es Koepp, für dessen Demütigung, zurückzuzahlen. Das Publikum war wesentlich größer und der Rahmen ungleich medienwirksamer. Das war seine Chance, er musste nur zugreifen. Ihm bot sich die Gelegenheit, die Karriere dieses Mannes mit einem Schlag zunichte zu machen. Oder seine Eigene! Seine Karriere, na ja!
    Richard überlegte. Die Sekunden wurden zur Unendlichkeit und Koepp schien immer noch zu grinsen.

    *

30.06.1994
    "Baumel hat den Jungen wohl missbraucht!"
    Laut und mit gnadenloser Härte glitt Richards Stimme durch den Saal. Wie das berühmte heiße Messer durch die Butter. Ein feiner scharfer Schnitt, wie mit einem Skalpell. Wer war Koepp? Das Interesse aller Anwesenden galt schlagartig nur noch dem Kommissar. Münder standen offen, Hälse drehten sich und Richard kam es vor, als seien unzählige, scharfe Pupillen nur auf ihn gerichtet. Die Objektive der Kameras fingen ihn ein und die Blitze der Fotoapparate versetzten ihn für einen Moment in ein dunkles, schwarzes Loch.
    Aber es war raus. Der Druck, der ihn vor einer Minute noch fast explodieren ließ, war gewichen. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass es kein zurück mehr für ihn gab. Er oder der Oberstaatsanwalt, einer von beiden würde diesen Saal als Verlierer verlassen. Hatte er sich verzockt?
    Richard suchte wieder den Blickkontakt zu Koepp und sah, dass sich in dessen Gesicht blankes Entsetzen spiegelte. Sein Kopf, der bei Richards Einlass, weiß, wie
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