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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht
Autoren: Reinhard Berk
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stand, und zuckte leicht mit den Schultern.
    Mertens antwortete nichts. Nur weiterhin Kopfschütteln. Dafür wurde der Kommissar von Schön um so überschwänglicher gelobt. "Das ist der Hammer, tolle Arbeit Herr Mees! Mensch, wir sind ja in aller Munde. Wagner, top!", natürlich vergaß der Polizeichef nicht seinen eigenen Mitarbeiter. Der Ruhm sollte schon paritätisch aufgeteilt werden, fand er.
    Richard nickte ihm peinlich berührt zu und wartete weiter auf eine Regung seines Chefs.
    "Lassen sie uns in ein Büro gehen, wo wir Ruhe haben und erzählen Sie mir erst mal alles", sagte der Polizeidirektor schließlich und stampfte los.
    Staatsanwältin Heuss und der Referendar hinterher. Man versammelte sich in Schöns Büro und die Kommissare Wagner und Mees informierten ihre Vorgesetzten und Frau Heuss im Schnelldurchgang über den aktuellen Stand ihrer Ermittlungen.
    "Ich muss sofort den Generalstaatsanwalt informieren, darf ich von hier anrufen?", fragte Frau Heuss aufgeregt, als sie die Geschichte gehört hatte. "Natürlich!"
    Die Beteiligten einigten sich über eine einvernehmliche Sprachregelung und eine dementsprechende Strategie, wie der Fall weiter vorangetrieben werden sollte. Priorität besaß die Bestätigung der Aussage von Frau Nicoletta Tschetschowa und die Beschaffung handfester Beweise, die zweifelsfrei belegten, dass der Oberstaatsanwalt seine Parteikollegen über den Stand der Ermittlungen unterrichtet hatte. Letzteres war das kleinere Problem.
    Am frühen Nachmittag setzte sich der Koblenzer Tross wieder Richtung Heimat in Bewegung. Der Polizeidirektor war inzwischen wesentlich entspannter, schließlich hatte sich immer mehr verdichtet, dass die von Kommissar Mees vorgebrachten Behauptungen, einer eingehenden Überprüfung standhielten. Oberstaatsanwalt Koepp hatte sich, nur eine Stunde nachdem die Generalstaatsanwaltschaft informiert war, einer ersten Anhörung unterziehen müssen. Bis auf Weiteres war er mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Für die junge Staatsanwältin entwickelte sich der Fall zum Glücksgriff. Mit einem Mal war sie die weisungsberechtigte und verantwortliche Staatsanwältin in diesem aufsehenerregenden Verbrechen, dem bundesweit die Schlagzeilen der Abendnachrichten gehörten. Die Herren Göttert und Jung, deren Namen inzwischen in der laufenden Berichterstattung immer häufiger genannt wurden, mussten sich in einer für den Abend eiligst einberufenen Sitzung des Fraktions-ausschusses unangenehmen Fragen stellen. Überhaupt war die Aufregung groß innerhalb der FSU, denn der Imageschaden, der im Ganzen noch nicht abzusehen war, ließ sich so schnell nicht beheben. So etwas kostet Opfer und wenn es Opfer aus gesundheitlichen Gründen sind. Außerdem drangen nach und nach Gerüchte über die "Mobilmachung" des politischen Gegners in die Runde, die den Aktionismus aller Anwesenden nur anfeuerten.
    Richard war während der Heimfahrt müde geworden. Er musste den letzten Tagen Tribut zollen und hatte keine Ambitionen mehr, an diesen Nachmittag an dem Fall weiter zu arbeiten. Ihm fehlte jeglicher Elan und er fühlte sich plötzlich ausgebrannt und leer.
    Mertes entsprach seiner Bitte nach Hause gehen zu dürfen, nachdem ihm Richard versichert hatte, am nächsten Morgen topfit zum Dienst zu erscheinen. Der Polizeidirektor wollte keinerlei Nachwirkungen eines übermäßigen Alkoholkonsums bei seinem Kommissar feststellen müssen. Die kommenden Tage würden anstrengend genug für alle und Mertes hatte nicht vor, durch Richards persönliche Probleme noch auf einem Nebenkriegsschauplatz Gefechte auszutragen.

    *

30.06.1994
    Richard setzte sich in seinen Nissan und schnaubte tief durch. Im Auto fühlte er sich auf seltsame Art unbehelligt, es war sein persönlicher "panic room". Er überlegte kurz. Alles war mächtig durcheinandergewirbelt worden. Er zweifelte mehr denn je an seinem Job. Es war nicht so, dass er mit Leib und Seele und aus ethischen Überzeugungen Polizist war, aber er hatte sich inzwischen mit seinem Beruf arrangiert. Eigentlich hätte er durchaus zufrieden sein können, doch die letzten Tage hatten erhebliche Zweifel in ihm geweckt. Alles kam ihm so verlogen vor und in ihm kam das Gefühl hoch, der einzig "gute Mensch" auf dieser Welt zu sein. Dafür hielt er sich sonst weiß Gott nicht, eher rang ihm der Gedanke, dass gerade er ein Ordnungshüter geworden war, ein dreckiges Grinsen ab. Aber gegen das, was er in den letzten Tagen an Schlechtigkeit und
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