Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht
Autoren: Reinhard Berk
Vom Netzwerk:
regungslos, aber er glaubte abermals einen leichten Druck in ihrer Hand zu spüren, die er immer noch hielt.
    "Tja, wie es aussieht, ist der Fall geklärt. Es gibt eine Menge Leute, die Dreck am Stecken haben. Für meinen Freund, den Herrn Oberstaatsanwalt, wird es wohl erst mal einen Karriereknick geben und einige andere, werden sich ihre Ambitionen ebenfalls abschminken müssen, wenn erst alles ans Tageslicht gekommen ist. Was die Gerichte nicht schaffen, dafür sorgt dann die Presse und die urteilt noch härter", Richard erzählte ihr mit großer Genugtuung. Wieder spürte er ihre Hand und er lächelte sie an. Es war dieser Moment, in dem bei ihm die Anspannung völlig abfiel. Jetzt konnte er ablassen von seinen persönlichen "Rachegedanken" und "Abrechnungen". Er hatte die Delinquenten zum Schafott geführt, nun richteten andere. Was tat ihm Sandras Hand so gut. Am liebsten hätte er sie geküsst. Sie hatte es so verdient. Bei diesem Gedanken musste er sich mit aller Kraft die Tränen auf Kosten eines riesigen Kloßes im Hals verdrücken. Sandra würde einen hohen Preis bezahlen müssen, aber er brachte es nicht fertig, sie zu fragen, ob sie schon etwas über die Konsequenzen ihrer Verletzungen wusste. Die beiden schauten sich an und es war eine fast cineastische Szene, die jedem Hollywood Film gerecht werden würde, soviel Pathos lag über dem Zimmer. Großes Kino und ehrfürchtige Stille, die Raum für die ganz großen Gefühle dieser Welt ließ.
    Die Schwester unterbrach die Szene jäh, als sie unvermittelt hereinkam.
    "So Herr Kommissar, verabschieden sie sich jetzt von ihrer Kollegin, ich denke, es reicht fürs Erste. Morgen geht´s dann ein Stückchen länger."
    Es war eine Erlösung für Richard, obwohl er sehr gerne bei Sandra geblieben wäre, aber diese Unsicherheit und dieses Gefühl der Schuld rissen ihn von einem Extrem ins andere. Hier die Verantwortlichkeit für seine Freundin und Kollegin und da die Selbstvorwürfe und Schuldzuweisungen sich selbst gegenüber. Insgeheim war er froh, dass er sich auf dieser Art, der Situation entziehen konnte - ja eigentlich musste. Richard nickte der Schwester zu. Dann beugte er sich hinunter zu Sandra und gab ihr einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn. Das hatte er noch nie gemacht. Der Kommissar ging langsam rückwärts bis zur Tür, winkte ihr noch einmal zu und schloss vorsichtig die schwere Zimmertür hinter sich. Er blieb kurz stehen und entließ die Anspannung mit einem kräftigen Durchatmen. Das war geschafft! Jetzt eine rauchen und ein Bier.
    Das Stationszimmer war entgegen seiner Erwartung unbesetzt, also verließ er grußlos das Krankenhaus. Auf der Treppe zündete er eine Camel an und inhalierte mit tiefen, kräftigen Zügen. Er setzte sich auf eine der Holzbänke und dachte nach.
    Die letzten Tage hatte er alles gegeben. Wäre es ein normaler Fall gewesen, hätte er außer einer Menge unnötigem Schreibkram alles beiseiteschieben können. Aber diesmal war es anders. Es kotzte ihn einfach an und Durst hatte er auch. Er brauchte unbedingt was zu trinken. Richard atmete tief durch, dann machte er sich auf den Weg um Alkohol zu kaufen. In ihm war ein Plan gereift. Richard fuhr obenherum über die B9 in die Stadt. An der Shell Tankstelle hielt er an und kaufte sich vier große eiskalte Büchsen Paulaner, zwei 4cl Jägermeister und eine Flasche Wodka. Eine der Büchsen öffnete er schon, als er die Ausfahrt der Tankstelle Richtung Innenstadt verließ. Er trank gierig und das Bier tat ihm gut. Richard wollte weg. Ein paar Sachen packen, nur das Nötigste und dann den ganzen Scheiß hier hinter sich lassen, egal was Mertens und die anderen machen würden. Als Erstes duschte er schnell. Kein Duschen zum Genießen, einfach ein zweckmäßig schnelles Abbrausen, um frisch und wieder fit zu werden. Dann stopfte er seine "Notfallausrüstung" in eine blaue Segeltuchtasche und versuchte, Anna anzurufen. Währenddessen zog er sich frische Wäsche an. Das ging alles Hand in Hand. Nach viermal anklingeln lassen, legte er wieder auf, es war zu spät, sie würde sicher schon schlafen. Richard nahm sich vor, es morgen gegen Mittag noch einmal zu versuchen.
    Geld, er musste noch etwas Geld mitnehmen, man weiß schließlich nie. Er steckte sich alles ein, was er noch hatte, etwas mehr als dreihundert Mark. Beim Hinausgehen vergewisserte er sich, ob er überall das Licht ausgemacht hatte, klopfte seine Taschen routinemäßig ab und zog die Tür hinter sich zu.
    Richard
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher