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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition)
Autoren: Gaby Hoffmann
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Prolog
     
    Ich habe einen Menschen umgebracht. Meine Augen sind geschlossen. Trotzdem sehe ich das grauenhafte Bild. Tief in mir drinnen. Eingebrannt unter der Haut, weil ich die eine Grenze überschritten habe, die Journalisten niemals überschreiten dürfen. Aus Egoismus – ja, und aus Liebe zu meiner kleinen Schwester Vic!
    Ein Kälteschauer packt mich. Mit ihm erwacht die Angst vor Rache. Sie lässt das Blut zirkulieren. Vorsichtig strecke ich den rechten Arm aus, um nach der Bettdecke zu tasten. Aber der Griff geht ins Leere. Ich bewege meine Finger und fühle keine weichen Daunen, sondern harten Untergrund. Stechender Zitrusduft, schwülstiges Eukalyptusaroma und blumiges Parfüm steigen mir in die Nase, werden jedoch dominiert von einem merkwürdig herben Geruch.
    Langsam, Millimeter für Millimeter, hebe ich meine Augenlider nach oben. Ich starre auf ockerfarbene Kacheln, die einen grellen Lichtkegel über mir reflektieren. Das beißt. Automatisch klappen die Lider zu, in der gleichen Sekunde gehen sie wieder hoch. Mein Blick wandert durch den fensterlosen Raum, in dem ich aufgewacht bin.
    Das wilde Sammelsurium an Flaschen und Döschen auf dem Klowasserkasten kenne ich. Auch die bunten Zahnbürsten im Glas neben einer Packung Tampons und der Naturhaarbürste sind mir vertraut. Ein leichtes Zischen zerschneidet die Stille. Pfff ... Unter meinem linken Arm klebt etwas Weiches. Eine Tube Hautcreme verströmt ihren süßlichen Duft.
    Mühsam robbe ich zwei Zentimeter vorwärts zu einem herumliegenden Stapel weißer Handtücher und lasse mich fallen. Sie färben sich rot!
    Panisch untersuche ich Arme und Beine. Am Knie sickert Blut aus einer Schürfwunde. Die Quelle des herben Geruchs. Ansonsten finde ich nur Ratscher und blaue Flecke.
    Im Schneckentempo drehe ich meinen dröhnenden Dickschädel in Richtung Spiegel: Eine Frau mit wirren, langen rotbraunen Haaren glotzt mich aus weit aufgerissenen grünen Augen an. Sie ist blass. Sogar die leichten Sommersprossen auf der stupsförmigen Nase haben ihre ursprüngliche Farbe verloren und existieren nur als geisterhafte Umrisse. Ihre herzförmig geschwungenen Lippen sind weiß. Einzige Farbtupfer bilden die zu schmalen Strichen gezupften dunklen Augenbrauen über den schwarzen Wimpern. Ihr schmaler Oberkörper ist halb aufgerichtet, die nackten Beine liegen seitwärts angewinkelt auf einem dunklen Fliesenboden, so, als würden sie nicht dazugehören.
    Die Frau sieht verwahrlost aus. Pulli und Rock sind zerrissen und verdreckt. Etwas an ihrer Kleidung erscheint mir seltsam. Jetzt weiß ich, was: Der schwarze Rock ist an der Seite eine Schattierung dunkler gefärbt als der Grundton. Als ob über diese Fläche eine Flüssigkeit ausgelaufen wäre. Auch der Pulli hat wohl einige Spritzer abbekommen. Auf dem hellen Stoff zeichnen sich deutlich dunkle Flecken ab. Aus der verfärbten, eingerissenen Rocktasche blitzt ein metallener Gegenstand. Ein Küchenmesser! Und an dem Messer klebt die gleiche Flüssigkeit wie an Rock und Pulli.
    Die Frau bin ich! Beschmiert mit fremdem Blut, liege ich auf dem Fußboden meines eigenen Badezimmers.
    Ein schepperndes Geräusch lässt mich zusammenzucken. Ein Schlüssel wird im Schloss herumgedreht. Sanfter Knall. Die Tür! Dumpfes Tappen. Je näher sie kommen, umso energischer werden die Schritte.
    Ich halte die Luft an. Der dunkle Schleier senkt sich wieder über mich – nein, es gibt kein Vergessen. Ich kann nicht fliehen!
    Leise verfluche ich jenen Tag im Februar, an dem alles begann: Während eines einzigen Vormittags ging mir der gewichtigste Teil einer Erbschaft durch die Lappen, suchte mein Lover das Weite, und ich verlor meinen Job.

Kapitel 1
     
    „So alt wird kein Schwein!“, sagte Großtante Carlotta wie jedes Jahr an ihrem Geburtstag. Zwei Tage später starb sie.
    Da Tante Carlotta in ihren 83 Lebensjahren sparsam, aber finanziell unabhängig gewirtschaftet hatte, warteten meine Schwester Sophie und ich gespannt darauf, was uns der Notar gleich aus ihrem Testament vorlesen würde.
    Ich schlug meine Jeansbeine übereinander und wippte mit den Stiefelspitzen, in denen sich mal wieder ein nicht zusammenpassendes Paar Socken verbarg.
    Sophie saß kerzengerade im eleganten, eierschalenfarbenen Kostüm neben mir. Die Beine, damenhaft züchtig in hautfarbenen Nylons verpackt, endeten in hellen Wildlederpumps, die wohlsortiert vor dem Sessel ruhten. Während sie scheinbar gelassen den Worten des Notars lauschte, wanderte ihr
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