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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht
Autoren: Reinhard Berk
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keinerlei Respekt vor dem Herrn Kriminalkommissar.
    "Neid, tzz! Die bekommen die Kinder doch nur, um das Kindergeld zu kassieren. Wenn ich bei jeder Nummer einen Balg gezeugt hätte, bräuchte ich hier keinen Dienst mehr zu schieben!"
    "Oh ho, der große Womanizer plaudert aus dem Nähkästchen." Sandra wurde spöttisch, aber Richard reagierte nicht. So etwas konnte er gut vertragen.
    Polizeimeisterin Sandra Götze hatte von Anfang an ihrer Zusammenarbeit einen besonderen Draht zu Richard. Sie waren sich sympathisch und das wirkte sich im Umgang miteinander positiv aus. Die beiden bildeten ein gutes Team. Überhaupt war Richard im Präsidium beliebt, auch wenn er manchmal etwas grantig wirkte. Eigentlich hätte er schon längst befördert sein müssen, aber es waren immer wieder solche Vorkommnisse, wie am Nachmittag dieser Auffahrunfall, die einer glanzvolleren Polizeikarriere im Wege standen. Außerdem war bekannt, dass sein Privatleben nicht gerade dem eines Vorzeigebeamten entsprach. Richard Mees war 44 Jahre alt, er lebte getrennt von seiner Frau und war Vater einer 15-jährigen Tochter, die bei ihrer Mutter wohnte. Er war mit seinen, nach eigenen Angaben, einhundertsechsundsiebzig Zentimetern und dem kleinen Bauchansatz, den er immer gut zu kaschieren wusste, nicht gerade ein Modellathlet. Dieses Manko glich er mit seiner Kleidung aus, die geschickt ein kleines Bierbäuchlein kaschierte. Sein ehemals volles, dunkles und recht langes Haar hatte er zeit-, alters- und berufsgerecht gestutzt. Der Hauptgrund war allerdings, dass es ernst zunehmende Lücken aufwies und Richards Nochehefrau, eine gelernte Friseurin, ihm deshalb angeraten hatte, eine kürzere Variante seines Haarmodells zu tragen. Das ließ jeden Morgen eine Portion Wehmut in ihm aufsteigen, wenn er vorm Badezimmerspiegel stand. Ansonsten war er mit sich zufrieden, der liebe Gott hätte ihn schlimmer ausgestalten können. Im Sommer hatte er recht früh einen südländischen Teint und die Tatsache, dass er fast immer gut gelaunt war, oder zumindest so tat, kam bei seinen Mitmenschen hervorragend an. Seine feste, tiefe Stimme hatte einen kleinen Hauch Sex und ein großes Stück Gewicht in seinem Umfeld. Insgesamt wirkte er wie eine durch und durch positive Erscheinung, auch wenn er immer öfter morgens seine grünen, inzwischen leicht wässerigen Augen hinter einer Sonnenbrille verbarg. Dass er dem Alkohol, den Zigaretten, den Karten und den Frauen zugetan war, wussten nicht nur die Kollegen, sondern auch der ein oder andere "Kunde" aus der Halb- und Unterwelt in Koblenz.
    Und Fußball, er liebte Fußball. Nicht den auf Kreisliganiveau, nein, er liebte den großen Fußball. Bundesliga, Italien, England, Spanien, Europapokal und Weltmeisterschaften. Deshalb war jetzt seine Zeit, WM! Nur in den USA musste sie allerdings nicht gerade ausgetragen werden, dachte er. Die Amis sollten sich besser ihren Hotdogs widmen und Baseball spielen, so seine feste Überzeugung.
    Letztendlich fehlte ihm der Ehrgeiz zu einer tadellosen und in geraden Bahnen verlaufenden Laufbahn. Den bürokratischen Teil seines Berufes vernachlässigte er genauso wie die Notwendigkeit, seinen Pflichten nachzukommen hinsichtlich Rechnungen oder Steuerbescheiden im Privaten. Er hatte die wunderbare Gabe, sich einzureden, dass morgen auch noch ein Tag sei. Dementsprechend setzte Richard seine Prioritäten.
    Richard Mees war ein guter Polizist, vielleicht sogar ein sehr Guter. Sein heller Geist, sein großes Allgemeinwissen, seine Auffassungsgabe und seine Kombinationsfähigkeit wurden unter den Kollegen ebenso geschätzt, wie sein Phlegmatismus und seine Schludrigkeit verflucht wurden. Wenn er sich in einen Fall verbissen hatte, ließ er nicht locker. Entgegen den üblichen Ermittlungsgepflogenheiten verließ er sich dabei oft auf seine Ahnungen und Eingebungen. Vielleicht war es gerade das, was ihn auszeichnete und zu einem besonders guten Kriminalbeamten machte, besser als andere, die sich nur auf Polizeimethodik, Erfahrungen und Fakten verließen. Trotzdem konnte er akribisch und mit großem persönlichen Einsatz an einem Fall arbeiten, um ihn zu lösen. Es war wie ein Pokalspiel für ihn. Dann ging es um alles. Andererseits hasste er all den Schreibkram, dass sich Rechtfertigen und immer Berichte schreiben müssen. Es hielt ihn nur vom Wesentlichen ab. Sei es drum, nun galt es, die Schilderung des Unfalls aus seiner Sicht zu verfassen. Er war bei der Mordkommission, warum musste er sich
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