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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman
Autoren: Florian Tausch
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Das anliegende Haus beherbergte offenbar einen Karaokepalast, denn immer wieder drangen Fetzen vietnamesischer und westlicher Lieder an mein Ohr - manche mit passablen Stimmen, andere im stark alkoholisierten Brüllgesang vorgetragen. »Hello! Is it me you’re looking for?«
    Ich blickte auf die Szenerie hinunter. Sollte ich wirklich hier sein? Hatte das alles einen Sinn? Oder hatte ich mich von einer fixen Idee übertölpeln lassen? Spannung, Erwartung und Zweifel machten sich in meiner Magengegend breit.
    Dann fiel mein Blick auf einen Zettel, der auf dem Schreibtisch lag:
    Herzlich willkommen!
    Ich hoffe, Du bist gut angekommen. Das Hotel verdient keine 5 Sterne, liegt aber bequem direkt neben dem Office. Komm einfach morgen um 9:00 Uhr rüber. Es wartet schon eine Menge Arbeit auf Dich!
    Bis dann
    Jürgen
    Für einen kurzen Augenblick überkam mich Erleichterung. Ich war nicht alleine, ich war kein kompletter Idiot und dies doch auch nur ein Land wie viele andere. Es würde schon alles gut gehen.
    Dann wurde es auf einen Schlag dunkel.
    Weder im Zimmer noch in einem der umliegenden Häuser brannte Licht. Nur die Scheinwerfer der Mopeds tasteten sich wie Taschenlampen durch die Nacht. Die Klimaanlage schaltete sich ab, der Fernseher verstummte, und aus dem Karaokeschuppen drang kein Laut mehr herüber.
    Stromausfall.
    Von meinen früheren Vietnambesuchen wusste ich, dass das eine Weile dauern konnte. Also schlich ich vorsichtig zum Bett, legte mich darauf und starrte in die Dunkelheit.

5.
    »Welcome to Paradise, mein Wertester! Schön, dass du den Weg ins Nirvana doch noch gefunden hast!« Mit seiner Pranke quetschte mir Jürgen meine Finger ins Koma, während er mich aus kleinen, flinken Augen musterte. Er schien noch dicker, noch lauter und noch tatkräftiger geworden zu sein. »Komm rein! Komm rein!« Jürgen drängelte mich durch das vollgestopfte Chaos, das seine Firma war, in sein Büro. »Sieht gerade ein bisschen durcheinander aus. Wir platzen aus allen Nähten. Du kannst gleich mal den nächsten Umzug organisieren!« Er prustete kurz auf. »Nee, lass mal. Für so was kriege ich hier an jeder Straßenecke Leute - und denen muss ich nur fünf Dollar am Tag zahlen. Mein hoch dotierter Art Director«, mit einem Zwinkern deutete Jürgen eine leichte Verbeugung an, »muss sich um ganz andere Dinge kümmern. Das Geschäft brummt!«
    »Hört sich gut an …« (Ich wollte auch mal etwas sagen.)
    »Aber erst mal müssen wir dich möglichst schnell startklar bekommen. Du brauchst drei Dinge, um in Saigon überleben zu können: ein Haus, ein Motorrad und eine Frau. Für das Haus wendest du dich an meine Sekretärin, Ms. Hoa. Die kann dich mit Maklerkontakten versorgen. Wir haben schon mal ein paar Objekte angefragt. Sieh zu, dass es in der Nähe der Firma ist - der Verkehr wird jeden Tag schlimmer.
    Ms. Hoa soll dir dann auch gleich Mr. Minh vorstellen.
Das ist einer unserer Designer. Der hat einen guten Draht zu einem Typen, der Vespas aus den 50er und 60er Jahren restauriert. Die sehen wahnsinnig stylisch aus. Die Vietnamesen mögen sie nicht, weil sie alt sind. Und in diesem Land ist alles Alte schlecht und alles Neue gut. Darum fahren sie auch lieber irgendwelche japanischen Plastikschüsseln, statt auf coolen Vespas rumzucruisen. Na ja, so lange die Leute hier noch nicht gerafft haben, was Lifestyle ist, bleiben sie wenigstens billig.
    Und was die Frauen angeht: Darum werde ich mich gleich heute Abend persönlich mit dir kümmern. Na? Wie gefällt dir das?«
    Ich grinste Jürgen an und antwortete mit einer ehrlichen Einschätzung:
    »Das hört sich wie der perfekte Start in ein neues Leben an!«
     
    Die Sonne war längst untergegangen. Dennoch drückte mich die schwüle Hitze fast nieder, als wir aus dem auf arktische Temperaturen heruntergekühlten Auto stiegen. Auf Jürgens Rücken zeichnete sich in wenigen Sekunden ein dunkler, nasser Fleck ab. Trotzdem hatte er seine Krawatte, deren Farbe und Muster so gar nicht zu seinem bieder karierten, kurzärmeligen Hemd passen wollten, nicht abgelegt. Was seine Erscheinung anging, hatte der Mann keinerlei Gespür für Stil. Umso verwunderlicher fand ich, dass er ausgerechnet in der Werbebranche so erfolgreich sein konnte. In diesem schwerfällig wirkenden Koloss steckte wohl ein nicht zu unterschätzender Geschäftssinn, eine Bauernschläue, mit der er den Vietnamesen auch Solarien verkaufen könnte.

    »Ich mag die einfachen Restaurants viel lieber als die
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