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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman
Autoren: Florian Tausch
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hatte. Doch dann kamen mir Charlotte und eine wohlbemessene Dosis Trägheit dazwischen, so dass ich Jürgen kurzfristig absagte.
    Nun hatte sich das Blatt wieder gewendet. Eine zweite Chance, vor der ich allerdings auch gehörigen Respekt hatte. Andererseits: Was hatte ich noch zu verlieren?

4.
    Obwohl ich viel gereist bin, finde ich den Blick aus dem Flugzeugfenster beim Landeanflug immer wieder faszinierend. Wie eine göttliche Perspektive auf eine Spielzeugwelt, in der doch Menschen ihrem Alltag nachgehen. Dann sinkt man tiefer und tiefer - und ohne dass es einen klaren Bruch geben würde, wird diese Welt auf einmal greifbar und real. Kurz darauf setzt man holpernd auf einem Kontinent auf, der wenige Stunden zuvor noch unendlich weit weg war.
    So ging es mir auch, als wir uns Saigon näherten. Kaum hatte die Maschine die Wolkendecke durchbrochen, tat sich unter uns eine grüne Landkarte auf. Mit Flüsschen geäderte Reisfelder machten sich in allen Grünschattierungen breit - dazwischen Ansammlungen der typisch vietnamesischen Schuhkarton-Häuser: extrem schmale und lang gezogene Kästen, deren Bauweise noch aus einer Zeit herrührt, als die Steuern nach der Breite der Häuserfront berechnet wurden.
    Wir gingen tiefer. Unter uns tauchten nun Industrieanlagen auf, das Straßennetz wurde dichter, und schließlich drängten sich eng an eng die Dächer der wuchernden Vororte Saigons. Kurz darauf ließen sich einzelne Menschen ausmachen, die sich auf Motorrädern durch die neonerleuchteten Straßen zwängten, dann war nur noch die Landebahn unter uns, und die Maschine rollte auf dem »Tan Son Nhat«-Airport aus, der
damals - kurz vor der Jahrtausendwende - noch den Charme eines verfaulenden Gefängnistrakts versprühte.
     
    Sind Sie schon einmal gegen eine Wand gelaufen? Ich ja. Und ich liebe es. Jedes Mal wenn ich in einem tropischen Land aus dem Flugzeug gestiegen bin, hat mich diese Vorstellung überwältigt. Die Hitze und die schwere, feuchte Luft mit ihrem üppigen Geruch rauben einem kurzzeitig den Atem und vermitteln das Gefühl, kaum voran zu kommen. Es ist gleichermaßen beschwerlich wie sinnlich und wirkt wie ein Tor, durch das man schreiten muss, um in die neue Welt zu gelangen.
     
    Als Ausländer kann man sich in Vietnam nicht über mangelnde Zuwendung beklagen. So auch gleich nach meiner Ankunft: Kaum trat ich vor dem Flughafen in die abendliche Schwüle hinaus, schienen sämtliche Taxifahrer der Stadt auf mich einzustürmen. »Hello! Hello!« »Where you go?« »Taxi, Sir?« Einige versuchten, mir voreilig den Koffer zu entreißen und in ihr Auto zu verfrachten, doch ich ließ mich nicht beirren und guckte suchend über ihre Köpfe hinweg (Was, nebenbei bemerkt, selbst für einen mittelgroßen Europäer relativ einfach ist).
    Schließlich sah ich das Schild, nach dem ich Ausschau gehalten hatte:
    Mr. Nik Roth
    Die Schreibweise meines Namens würden wir noch etwas üben müssen - aber ich war froh, dass der Fahrer meiner neuen Firma tatsächlich wie vereinbart am Flughafen aufgetaucht
war. Er führte mich zu einem Minibus, dessen Seiten in großen Buchstaben der Schriftzug »Viet Duc Advertising« zierte. Erschöpft ließ ich mich auf einen der Sitze fallen. Dann setzten wir uns langsam in Bewegung.
    Langsam - das ist das richtige Wort. Denn der Verkehr in Saigon ist einzigartig. In dieser Stadt gibt es rund drei Millionen Mopeds und Motorräder, die alle immer genau da herumkurven, wo man selber gerade ist. Auftritt von rechts: Ein dreirädriges Gefährt schießt unvermutet aus einer Einfahrt auf die Straße. Die zweirädrige Achse befindet sich vorne und trägt eine Ladefläche, während der Fahrer hinten, leicht erhöht, über dem dritten Reifen thront. Damit es zügig voran geht, hat ein Mopedfahrer seinen gummischlappenbewehrten Fuß auf der Nabe des Hinterrads platziert und schiebt mit an. Auftritt von links: eine vierköpfige Familie auf einem Roller. Das Kleinkind hockt auf der Fußablage zwischen den Füßen des Vaters, das wenige Monate alte Baby steht zwischen den Eltern eingeklemmt auf der Sitzbank. Auftritt von vorne: ein unbeleuchteter Fahrradfahrer, der einem im dichtesten Gewusel auf der falschen Straßenseite entgegenkommt. Auf seinen Gepäckträger hat er einen hölzernen Käfig montiert, im dem sich grüne Schlangen ringeln. Auftritt von hinten: drei Bikes mit halbstarken Jungspunden, welche die übrigen Verkehrsteilnehmer bei ihrem Rennen als Slalomstangen benutzen. Dazwischen:
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