Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Seine junge Geliebte

Titel: Seine junge Geliebte
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
Vom Netzwerk:
1
    »Zu wem möchten Sie, bitte?« Schwester Angelika schaute fragend den älteren Herrn an, der den Flur entlangging.
    »Zu Herrn Oberarzt Dr. Bruckner!«
    Die Schwester angelte eine goldene Uhr aus dem Brustausschnitt heraus, die sie an einer langen Kette trug, und schaute ostentativ darauf. »Jetzt ist Mittagszeit!« Ihre Stimme klang vorwurfsvoll. »Sind Sie mit ihm verabredet?«
    »Nein – das heißt doch! Ich bin mit Dr. Bruckner verabredet. Können Sie mich anmelden? Mein Name ist«, er zögerte einen Augenblick, »Peter Sartorius.«
    »Ich will zusehen, daß ich ihn erwische. Wahrscheinlich ist er gerade beim Mittagessen. Nehmen Sie bitte dort im Wartezimmer Platz!« Schwester Angelika öffnete die Tür und machte eine einladende Bewegung. »Bitte sehr!«
    »Ich hatte mit Dr. Bruckner telefoniert, und er meinte, ich solle irgendwann einmal herkommen.«
    »Gut – ich werde versuchen, ihn zu finden.«
    Schwester Angelika schloß die Tür, überquerte den Flur und betrat das Dienstzimmer, wo Assistenzarzt Dr. Heidmann am Schreibtisch saß. »Kennen Sie einen Patienten, der Peter Sartorius heißt?« Als der junge Arzt den Kopf schüttelte, erklärte sie: »Er will unbedingt zu Dr. Bruckner und tat so, als ob es dringend sei. Wissen Sie, wo er ist?«
    »Er müßte jeden Augenblick kommen. Ich warte auf ihn. Wir wollten zusammen ins Kasino gehen. Was will er denn?«
    »Das hat er mir nicht gesagt. Er macht einen merkwürdigen Eindruck auf mich …« Sie unterbrach sich und lauschte an der Tür. Auf dem Flur erklangen Schritte, Dr. Bruckner trat ein. »Wollen wir zum Essen gehen?«
    »Da ist ein Patient für Sie. Ein gewisser Herr Sartorius, Peter Sartorius. Er meint, er sei mit Ihnen verabredet. Ich habe ihm aber prophylaktisch gesagt, daß ich nicht weiß, ob ich Sie erreichen kann. Sie haben also immer noch die Möglichkeit, nein zu sagen.«
    Dr. Bruckner ging zum Schreibtisch, öffnete die Schublade, nahm seine Pfeife heraus, stopfte sie und setzte sie mit einem Streichholz in Brand, das ihm Dr. Heidmann reichte. Er blies eine Rauchwolke von sich und schaute ihr nach. »Peter Sartorius«, wiederholte er den Namen des Patienten. »Ich habe ihn mal auf einer Party kennengelernt. Seit der Zeit verfolgt er mich …«
    »Er verfolgt Sie?« Irritiert schaute Schwester Angelika Dr. Bruckner an. »Soll ich ihm sagen, daß Sie nicht da sind?« Sie ging schon zur Tür und griff nach der Klinke, aber Thomas Bruckner wehrte ab.
    »Nein, warten Sie! Ich werde mit ihm sprechen. Er ist im Grunde genommen ein ganz armer Kerl.«
    »Wieso das?« fragte Schwester Angelika kopfschüttelnd. »Er sah gar nicht so arm aus. Er wirkte eher –«, Schwester Angelika suchte nach dem Wort, »merkwürdig. Wissen Sie, so –«, wieder suchte sie nach einem passenden Vergleich, »ein Berufsjugendlicher. So nennen Sie doch die Leute, deren Gesicht nicht zu der Kleidung paßt, die sie tragen.«
    Dr. Bruckner zog an seiner Pfeife und wedelte mit der Hand den Rauch fort, der sein Gesicht wie eine Wolke einhüllte.
    Dr. Heidmann lachte laut. »Solche Typen kenne ich! Männer, die nicht alt werden können, sind wirklich unangenehm.«
    Dr. Bruckners Stimme klang ernst: »Das Leben dieses Mannes ist tragisch. Von Beruf ist er Schriftsteller, wie er sagt. Ich habe aber vergeblich versucht, etwas über ihn zu erfahren. Niemand kennt ihn. Er hat wohl einmal in seiner Jugend ein Buch geschrieben, und davon zehrt er nun sein Leben lang. Das zweite ist, daß er sich in eine junge Frau verliebt hat. Bärbel Linke ist, wie er mir sagte, vierundzwanzig Jahre alt …«
    »Und er steuert mit Riesenschritten auf die Siebzig zu!« unterbrach ihn Schwester Angelika. »Vierundzwanzig Jahre!« Sie schüttelte den Kopf. Ihre Stimme klang empört. »Das könnte ja ihr Vater – ach, was sage ich – ihr Großvater sein! Und was will er von Ihnen?«
    Dr. Bruckner versuchte, einen Rauchring zu blasen, aber es gelang ihm nicht recht. Der Ring nahm eine bizarre Form an und löste sich auf. »Ich soll ihn verjüngen!« Er klopfte die Pfeife im Aschenbecher aus und stand auf. Er wollte zur Tür gehen, aber Schwester Angelika hielt ihn zurück.
    »Sie wollen doch nicht etwa damit sagen, daß dieser alte Mann von Ihnen eine Schönheitsoperation durchgeführt haben möchte!« Ihre Stimme klang so entsetzt, daß Dr. Bruckner ihr lachend auf die Schulter klopfte.
    »Warum soll man bei einem Mann nicht auch einmal eine Verjüngungsoperation durchführen? Bei Frauen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher