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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
Autoren: Ralf Isau
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dem Holz  des Eisenbaumes.« Er deutete zu einem etwa fünf Schritte entfernten Stamm. »Siehst du das Astloch da?
    Versuch es zu treffen.«
    Twikus stemmte den Speer hoch. Er konnte die blausilberne S pitze kaum auf das Ziel gerichtet halten. Mehr schlecht als recht warf er die Waffe nach vorn. Sie flog ungefähr einen Schritt weit und fiel klatschend ins Laub.
    »So, so, du willst also auch einen Speer haben«, sagte
    Falgon. »Und wozu? Um damit Käfer zu er schlagen?« Twikus nahm intensiv seine Fußspitzen ins Visier.
    »Jetzt lass nicht den Kopf hängen«, tröstete ihn der Alte, während er zu ihm herüberkam. Er hob die schlanke Waffe mühelos vom Boden auf, und beinahe so, als wolle er sie einem zaudernden Intere s senten zum Kauf anpreisen, sagte er:
    »Das Gewicht dieses Jagdspeers schränkt zwar ein wenig die Reichweite ein, aber von geschickter Hand geschleudert, erhöht es enorm die Durchschlagskraft.«
    Mit dem letzten Wort holte er aus und warf den Speer. Twikus verfolgte ihn bis zu einem etwa zwanzig Schritte entfernten Ast, der so dick war wie Falgons Oberarm. Die Spitze bohrte sich mitten durchs Holz und trat am anderen Ende wieder hervor.
    »So ein Eisenholzspeer könnte glatt durch einen Mann samt Rüstung hindurch f liegen, als wäre er ein Kürbis«, fügte der Alte mit ausdrucksloser Miene hinzu.
    Der Junge erschauderte. Ihm blieb buchstäblich die Spucke weg. Er wollte etwas sagen, aber sein Mund war zu trocken.
    Also ergriff erneut Falgon das Wort, um seine kleine Lektion abzuschließen: »Ich habe dich nicht bei mir aufgenommen, um dich das Kriegshandwerk zu lehren, Twikus. Mir sind Menschen zuwider, die aus dem Töten eine Kunst machen wollen. Es ist bestenfalls eine schmutzige Fertigkeit, hörst du?«
    Der Junge sah den Alt e n nur aus großen Augen an.
    »Ob du mich verstanden hast, will ich wissen.«
    Twikus öffnete den Mund, zögerte und sagte dann: »Aber du hast doch eben auch getötet, Falgon.«
    »Das ist was anderes.«
    »Warum?«
    »Der Grotan wollte dich umbringen.«
    »Ja, weil er ein F leischfresse r ist.«
    »Hört, hört! Der Zwerg will mich über die Natur belehren. Ich weiß sehr gut, was für Geschöpfe die Grotans sind, Twikus, und ich sage dir, dieser da hat dich nicht nur wegen eines knurrenden Magens gejagt.«
    Der Junge erinnerte sich an den merkwürdig klaren Moment, als er die Furcht des Schweineluchses zu spüren glaubte.
    »Waru m nicht?«
    »Weil… weil…« Falgon warf die Arme in die Luft.
    »Unsereiner hat eben nicht nur Freunde in dieser Welt. Manche wollen uns auch Übles. Und einige von ihnen s ind mächtig genug, sogar die Bewohner des Großen Alten gegen un s aufzuhetzen.«
    »Aber ich habe doch gar nichts gemacht.«
    Falgon legte seinen Arm um die zarte Schulter des Jungen.
    »Nein, mein Lieber. Du hast niemandem ein Leid getan. Aber vielleicht gibt es jemanden, der dir trotzdem so etwas zutraut. Allein die Vorstellung, du wärst eine Gefahr, mag diesem Jemand genügen, um dich zu hassen. Ich freue mich, dich wieder bei mir zu haben, aber versprich mir eines: Sei in Zukunft vorsichtig, wenn du allein im W a ld herumstreifst, hörs t du?«
    Twikus spürte mit einer für sein Alter untypischen Gewissheit, dass Falgon ihm etwas verschwieg, das ihm auch tausend Warums nicht entlocken konnten. Also nickte er nur und beschloss dem Geheimnis ein andermal auf den Grund zu gehen.
     
    Der Grotan wurde in mehreren Portionen zur Blockhütte geschafft und dort weiterzerlegt. Ein Teil kam sofort in die Räucherhütte, die hinter dem Haus stand. Andere Stücke wurden in feine Streifen zerschnitten, auf Schnüre gefädelt und
    zum Trocknen aufgehängt. Einige hauchdünne Scheiben des Rückenteils aßen Falgon und Twikus roh, während sie noch ihrer Arbeit nachgingen. Den zartesten Brocken gab es abends am Spieß gebraten, um die Rettung des Jungen vor dem Grotan zu feiern.
    Es war schon dunkel, als Falgon seinem Schützling die Schlafstatt zeigte. Gedankenverloren betrachtete der Junge das anmutige Tier, das als Einlegearbeit das Kopfende des Bettes zierte, so als solle es mit seinem stolzen Geweih über den Schlaf des darin Liegenden wachen. Ein Kro d ibo. Woher kannte er diese edlen Reittiere? Wenn er sich nur entsinnen könnte! Er hatte das Gefühl, seine Erinnerungen lägen hinter einem luftigen Vorhang, der mehr verbarg, als er hin und wieder durchscheinen ließ. Das Krodibo schien Twikus etwas sagen zu wollen, aber er wusste nicht, was.
    Sein Blick wanderte
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