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Mensch Hund

Mensch Hund

Titel: Mensch Hund
Autoren: Jürgen Herbst
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verursachte das Geräusch eines nächtlich vorbeibrausenden Geisterzuges. Die Gestalten wurden den Blicken des Betrachters entzogen und verschwanden hinter den ächzenden Brettern eines morschen Gartenhauses, dessen schwarze, hohle Fensteröffnungen wie tote Augen in den Park starrten.
    Einige Zeit später, es mögen an die fünf Minuten gewesen sein, blitzte ganz hinten, hinter der letzten Baumgruppe, wieder der Strahl der Lampe auf. Die beiden unheimlichen Schatten beugten sich hinter einer Lärche, deren schlagende Äste bis zum Boden reichten, nieder, knieten sich hin, suchten den Boden ab und scharrten gierig mit ihren Fingern im Gras und in der Erde. Da, plötzlich ein gellender Schrei: „Ich hab’s!!“

    Wir liefen, so schnell wir konnten, ins Haus zurück, warfen unsere klitschnassen Klamotten über die Badewanne, zogen die verklemmten, nassen Gummistiefel aus und gossen uns einen wärmenden Kognak ein. Dann betrachteten wir das Buch, das Daffke zerrissen und im Garten versteckt hatte: ,.Pater Brown und die schlimmsten Verbrechen der Welt“.
    „Mensch, Hund, mußte es denn ausgerechnet eines aus der Leihbücherei sein?“

Die Zeichnungen — oder Vorsicht ist besser!

    Dies ist eine kleine Episode, die zeigen soll, wie sich die menschliche Verhaltensweise ändern kann, wenn man unsere Hunde eine Zeit lang kennt oder wenn man über ihre Untaten gehört oder gelesen hat.
    Wir waren froh, den bekannten Künstler und Schulrektor Erich Charlier dafür gewonnen zu haben, die Zeichnungen zu diesem kleinen Büchlein zu machen. Obwohl durch Auftragsarbeiten an Kirchenfenstern und Landschaftsbildern völlig überlastet, gab er sich doch bald an die Arbeit, und wir mußten uns eilen, ihm die Manuskripte der einzelnen Geschichten zeitig zukommen zu lassen.
    Er brachte dann auch sehr schnell die ersten Zeichnungen, und wir waren begeistert über die Treffsicherheit seiner Feder. Eine Mappe für die Originalzeichnungen wurde angelegt und sorgfältig auf dem Schreibtisch verwahrt.
    Doch eines Tages, als er wieder einmal zu uns kam, sich durch unsere, ihn inzwischen schon stürmisch begrüßenden Hunde gearbeitet hatte, und uns die neuesten Zeichnungen brachte, wollte er gerne die bis dahin gelieferten Werke zurückhaben. Wir gaben ihm die Mappe, aber ich war etwas erstaunt und fragte ihn, ob er etwas an den Zeichnungen ändern wolle oder wozu er sonst die bereits fertigen Werke brauche.
    Er lächelte verschmitzt und sagte: „Das sind doch die Originale, und bei den Hunden will ich lieber sicher gehen und eine Kopie machen, denn sonst stehen wir nachher, wenn gedruckt werden soll, mit leeren Händen da!“
    Er hatte wohl gerade die Geschichte über die absonderlichen Freßgewohnheiten unserer Hunde gelesen oder dachte, wir würden eines Tages die zerfetzten Zeichnungen im Garten verbuddelt wiederfinden.
    Wir haben die Kopien nicht gebraucht und sind froh, doch endlich auch einmal einen guten Eindruck mit den Hunden hinterlassen zu haben.

Psychoanalyse — oder die billigste Couch

    Es wäre falsch, dieses Büchlein zu schließen, ohne einige Worte über die gegenseitigen psychischen Wechselwirkungen von Mensch und Hund zu verlieren.
    Nicht, daß ich dem Hund — sei er noch so intelligent — die geistigen Fähigkeiten eines studierten Mediziners nachsagen will. Wie wir jedoch wissen, beruht das Verhältnis zwischen Herr und Hund immer auf der Aktion des einzelnen und der Reaktion des anderen, oder umgekehrt. Beispiel: Der Hund kommt freudig schwanzwedelnd auf mich zu; ich bin wegen irgendetwas sauer und beachte ihn nicht. Der Hund trollt sich mit hängendem Schwanz und Ohren davon.
    Wer durch lange Beobachtung gelernt hat, dieses Interaktionsspiel zwischen Mensch und Hund zu erkennen und zu interpretieren, kann in relativ kurzer Zeit durch einen Hund sehr viel über dessen Herrn erfahren. Viel wichtiger ist jedoch: er kann durch das Verhalten seines eigenen Hundes sehr viel über sich selber erfahren. Über das, was man über sich selber erfährt, kann man nachdenken, man kann es abstellen oder auch akzeptieren und bestätigen.

    Wenn wir einmal davon ausgehen, daß der Hund nicht in unserem Sinne denkt und reflektiert und sich nicht den ganzen Tag mit geistigen Rückkopplungen beschäftigt, die immer wieder in irgendwelchen Wenns und Abers enden, dann ist es sehr einsichtig, daß das zwar relativ kleine Gehirn des Hundes jedoch wesentlich mehr Raum hat für die Aufnahme und Speicherung von Realitäten und Fakten,
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