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Mensch Hund

Mensch Hund

Titel: Mensch Hund
Autoren: Jürgen Herbst
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von menschlichen Verhaltensweisen. Der Mensch dagegen muß sich bei all seinen Problemen, die er zu wälzen hat, regelrecht zu genauen Beobachtungen zwingen. So wissen wir zwar zum Beispiel, daß der Hund sich dreht, ehe er sich zum Schlafen legt, oder daß er hinaus will, wenn er an die Tür springt, oder daß er gestreichelt werden will, wenn er seinen Kopf auf das Knie des Herrn legt, oder daß er vorsteht, wenn er Wild gewittert hat. Aber selbst viele Hundehalter können schon nicht mehr sagen, wenn der Hund die Rückenhaare aufstellt, ob er Angst hat oder ob er kampfeslustig ist.
    Ganz anders der Hund: nicht durch Seelen- oder Gewissensprobleme belastet, kann er sich ganz auf die Beobachtungen der Realität konzentrieren und dabei selbst die winzigsten Details, die wir Menschen gar nicht aufnehmen, registrieren. Auf den ihm vertrauten Menschen bezogen bedeutet das, daß er selbst geringste Änderungen oder Abweichungen in Bewegungen oder in der Stimme oder im Geruch wahrnehmen kann.

    Was heute ganz aktuell in wissenschaftlichen Instituten aus dem früheren Lügendetektor weiterentwickelt wird, ein Verfahren zur Analyse der Stimmfrequenzen beim Menschen, um z.B. in der Kriminalität den Wahrheitsgehalt einer Aussage zu prüfen oder in der Werbung die Wirksamkeit von Aussagen über bestimmte Produkte zu gewährleisten, das hat der Hund, der seinen Herrn kennt, durch die Intensität seiner Wahrnehmungen schon lange vorweggenommen. Was den Hund also zum besonders geeigneten „Gesprächspartner“ des Menschen qualifiziert, ist seine unheimlich genaue und untrügerisch scharfe Beobachtungsgabe, seine spontane und ehrliche Reaktion auf diese Beobachtungen (nicht wie oft beim Menschen unterdrückte oder erlogene Reaktionen), seine absolute Treue zur Realität, die nicht durch Überlegungen und Schlüsse getrübt wird, und seine Fähigkeit zuzuhören.
    Mein persönlicher ,,Psycho-Hund“ ist Danny. Sie nimmt schon die kleinsten Veränderungen bzw. Stimmungsänderungen wahr und kennt mich so genau, wie ein Mensch es nur nach einem langen ständigen Zusammensein schafft.

    Wenn ich zum Beispiel mal wieder Zahnschmerzen habe, dann bleibt sie zwar in der Nähe, um mich zu „trösten“, hält aber genau die Distanz, die ich brauche, um mich nicht gestört zu fühlen.

    Bin ich mal grantig und schlecht gelaunt, läßt sie mich links liegen oder „straft“ mich mit ihren Blicken, bin ich aber mal zu gut gelaunt, weil ich zu tief ins Glas geschaut habe (kommt auch mal vor), dann wendet sie sich mit Grausen ab.

    Dies sind nur einige ganz auffällige Reaktionen, die mir gerade einfallen, die sich aber bis in die kleinsten Details fortsetzen.
    Man sieht aus den Beschreibungen dieser Reaktionen des Hundes schon, daß wir diese Reaktionen fälschlicherweise immer mit menschlichen Überlegungen gleichsetzen (trösten oder strafen), dabei sind es tatsächlich nur die Auswirkungen von vom Hund beobachteten Veränderungen beim Menschen.
    Öfters, wenn ich einmal Probleme habe, die ich nicht oder zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Menschen diskutieren oder besprechen will, dann nehme ich mir Danny an die Leine, und wir wandern ein paar Stunden durch Wald und Venn.
    Dann spreche ich mit ihr oder ich schweige auch mit ihr (ich glaube, ich brauche doch einen Psychiater). Sie bringt mir zwar keine Lösungen, wie die so oft dummerweise beschriebenen „denkenden Hunde“, aber sie hilft mir durch ihre Reaktionen, daß ich mir selber über meine Verfassung im Klaren werde. Vor allem sie zeigt, was echt ist und was an meinem Verhalten nicht Realität, sondern Einbildung, Hysterie oder Selbstbetrug ist. (Das alles natürlich nur, wenn uns nicht beide gerade eine warme Fährte oder ein fetter Hase ablenkt.)
    Gegenüber dem Hund hat es wenig Zweck, sich zu verstellen, denn er erkennt bei ihm vertrauten Personen Verstellung sofort und reagiert tatsächlich nur auf das, was real ist.
    Der Hund denkt also nicht, er hat kein Mitgefühl oder eine Seele in unserem Sinne, sondern durch sein Verhalten — wenn man ihn genau beobachtet — hält er uns einen Spiegel vor, der uns veranlassen kann, unser eigenes Verhalten zu überprüfen.
    Diese Hilfe zum Bewußtwerden des eigenen Verhaltens ist es, die ich in der Überschrift leichtfertig und als medizinisch ungebildeter Hundemensch als „Psychoanalyse“ bezeichnet habe.
    Ich bin sicher, daß hier der Hund in „leichteren Fällen“ billigere und bessere Hilfe leisten kann, als so mancher
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