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64 Grundregeln ESSEN

64 Grundregeln ESSEN

Titel: 64 Grundregeln ESSEN
Autoren: Michael Pollan
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Vorwort
    Essen ist heutzutage zu einer komplizierten Angelegenheit geworden – was, wie ich meine, völlig unnötig ist. Mit der Frage, warum es unnötig ist, beschäftige ich mich später. Sehen wir uns zunächst die Kompliziertheit an, die diese elementarste aller kreatürlichen Aktivitäten inzwischen begleitet. Die meisten von uns verlassen sich mittlerweile auf alle möglichen Experten, wenn sie wissen wollen, was sie essen sollen – auf Ärzte und Diätbücher, Medienberichte über die neuesten Ergebnisse aus der Ernährungswissenschaft, Empfehlungen des Gesundheitsministeriums, Lebensmittelpyramiden oder die immer häufigeren Gesundheitsversprechen auf den Verpackungen. Mag sein, dass wir dem Rat dieser Experten nicht immer folgen, aber jedes Mal, wenn wir von einer Speisekarte etwas bestellen oder im Supermarkt unseren Einkaufswagen durch die Gänge schieben, hallt er in unserem Kopf nach. Auch erstaunlich viele Begriffe aus der Biochemie haben sich dort eingenistet. Ist es nicht merkwürdig, dass Worte wie »Antioxidanzien«, »gesättigtes Fett«, »Omega-3-Fettsäuren«, »Kohlenhydrate«, »Polyphenole«, »Folsäure«, »Gluten« und
»Probiotika« heutzutage jedem zumindest flüchtig bekannt sind? Es ist so weit gekommen, dass wir nicht mehr unsere Lebens-Mittel sehen, sondern geradewegs durch sie hindurch auf die (guten und schlechten) Nährstoffe, die sie enthalten, und natürlich auf die Kalorien – also auf all jene unsichtbaren Eigenschaften in unseren Lebensmitteln, die, einmal verstanden, angeblich das Geheimnis enthalten, wie man sich gut ernährt.
    Aber trotz all des wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Ernährungsgepäcks, das wir uns in den vergangenen Jahren aufgeladen haben, wissen wir immer noch nicht , was wir essen sollen. Sollten wir uns mehr Sorgen um die Fette oder um die Kohlenhydrate machen? Und was ist mit den »guten« Fetten? Oder mit den »schlechten« Kohlenhydraten, etwa fructosereichem Maissirup? Wie viele Gedanken sollten wir uns um Gluten machen? Was hat es mit den künstlichen Süßstoffen auf sich? Ist es wirklich wahr, dass Frühstücksflocken die Konzentration meines Sohnes in der Schule verbessern oder andere Getreidekörner mich vor dem Herzinfarkt schützen? Wann wurde es zu einem therapeutischen Ereignis, zum Frühstück einen Teller Müsli zu essen?
    Vor ein paar Jahren war ich in dieser Hinsicht genauso verunsichert wie vielleicht auch Sie, und also begann ich, einer einfachen Frage auf den Grund zu gehen: Was soll ich nun essen? Was wissen wir wirklich über die Verbindungen zwischen unserer Ernährung und unserer Gesundheit? Ich bin weder Ernährungsexperte noch Wissenschaftler, nur ein neugieriger Journalist, der hofft, für sich und seine Familie auf eine überschaubare Frage eine Antwort zu finden.
    Wenn ich mit einer Recherche anfange, wird meist schnell
klar, dass die Dinge sehr viel komplizierter und unklarer sind – mehr Grau-Nuancen haben –, als ich zu Beginn dachte. Diesmal war es anders. Je tiefer ich ins verworrene und verwirrende Dickicht der Ernährungswissenschaft eindrang und den Dauerkrieg zwischen Fetten und Kohlenhydraten, die Ballaststoffscharmützel und die hitzigen Debatten um Nahrungsergänzungsmittel unter die Lupe nahm, desto klarer wurde das Bild. Ich stellte fest, dass die Wissenschaft in Wirklichkeit sehr viel weniger über Ernährung weiß, als Sie möglicherweise erwarten – dass die Ernährungswissenschaft eigentlich eine, um es einmal freundlich zu sagen, sehr junge Wissenschaft ist. Sie versucht immer noch, genau herauszufinden, was in Ihrem Körper vor sich geht, wenn Sie eine Limonade schlürfen, oder was tief im Herzen einer Karotte geschieht, das sie für Sie zu einem so gesunden Lebensmittel macht, oder warum Sie so viele Neuronen – Hirnzellen! – ausgerechnet im Magen haben.
    Es ist ein faszinierendes Thema, und irgendwann wird die Forschergemeinde vielleicht eindeutige Antworten auf die Ernährungsfragen liefern, die uns umtreiben, aber – und das sagen die Ernährungswissenschaftler selbst – im Moment sind sie noch nicht so weit. Nicht einmal annähernd. Die Ernährungswissenschaft, die alles in allem erst vor kaum 200 Jahren begonnen hat, ist heute ungefähr so weit wie die Chirurgie im Jahr 1650. Das ist sehr vielversprechend und sehr interessant zu beobachten, aber würden Sie sich von diesen Leuten operieren lassen? Ich für meinen Teil würde noch ein bisschen warten.
    Obwohl ich also eine
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