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Melina und das Geheimnis aus Stein

Melina und das Geheimnis aus Stein

Titel: Melina und das Geheimnis aus Stein
Autoren: Marlene Röder
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kurz. Aber so, wie ich das sehe, kannst du ziemlich gut zeichnen. Du kannst auch einfach aufzeichnen, welche Sachen du gerne machst. Fällt dir da was ein?“
    Erleichtert nicke ich und beuge mich wieder über mein Blatt.
    Ich male eine Lupe, weil ich mir gerne kleine Sachen ganz genau ansehe, die ich mit Pippa im Garten finde.
    Ich male eine Schüssel Popcorn (Popcorn ist schwer zu malen!), weil ich es liebe, mit meiner Mutter Popcorn zu machen und Tierfilme zu schauen.
    Ich male ein Buch, weil ich Geschichten mag. Ich lese sie gerne, aber noch lieber bekomme ich welche erzählt.
    „Sehr schön“, lobt Frau Rose und tippt mit einem Lächeln, das nur für mich ist, auf das fast leere Rechteck (mit einem kleinen rosa Punkt). „Du wirst sehen, für dieses Feld, da findet sich noch jemand, den du hineinzeichnen kannst.“

Ein rosa Punkt
    Pippa war die Erste, die ich weckte, kurz nach der Sache mit Jonas. Jonas, meinem Baby-Bruder.
    Manchmal passiert es, dass Babys sterben. Einfach so, im Schlaf. Niemand weiß genau, warum. Niemand hat daran Schuld. Das hat mir Paps erklärt. Er hat es auch Mama erklärt, ich habe seine Stimme gehört, ein beruhigendes Gemurmel im Wohnzimmer. Aber Mama hat ihm nicht geglaubt. Ihr Schluchzen ätzte sich durch die Wände, ich hätte nicht mal lauschen müssen: „Nein, ich hätte ihn nicht so warm zudecken sollen, es ist meine Schuld, meine Schuld.“
    Sie fing an, auf dem Sofa im Baby-Zimmer zu schlafen. Als hätte sie Angst, dass sie nicht mitbekommen würde, wenn etwas mit Jonas war. Aber sein Bettchen war doch leer.
    Für ein paar Wochen war Mama fast unsichtbar. In dieser Zeit machte Paps alles. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und manchmal stockte er beim Vorlesen der Gutenachtgeschichte, als wüsste er nicht mehr, wie es weiterging.
    Dabei suchte ich immer dasselbe Buch aus. Ich hatte aufgehört, Überraschungen zu mögen.
    „So was passiert nur sehr selten und dann nur ganz kleinen Kindern. Nicht dir, ich verspreche es. Du bist doch meine Große“, sagte Paps, als ich wieder und wieder nach ihm rief und um ein Glas Wasser bat.
    Aber genau wie Mama glaubte ich ihm nicht mehr. Ich hatte gelernt, dass schlimme Dinge passieren können. Obwohl deine Eltern aufpassen. Obwohl du noch ein Kind bist.
    Darum baute ich vorm Schlafengehen alle meine Playmobil-Männchen rund um mein Bett auf, eine Armee, die mich beschützen sollte. Albern, ich weiß, aber es half gegen die Angst. Mit meiner Lieblingsfigur in der Hand versuchte ich, wach zu bleiben.
    Schlafen ist was Komisches. Du weißt nicht mehr, was um dich herum passiert und wer du bist. Du weißt nicht mal mehr, dass du lebst. Du kippst ins Nichts.
    Irgendwann muss ich wohl doch eingeschlafen sein.
    Ich wachte mit einem Ruck auf, mitten in der Nacht. Um mich war es schwarz, die Dunkelheit kroch in meine Nase und erstickte mich, kroch in meinen Mund und dämpfte meinen Schrei. Ich konnte nicht nach Paps rufen. Ich dachte, ich würde sterben. Da spürte ich plötzlich, wie sich etwas in meiner Hand bewegte, sich aus meinem Griff wand.
    Eine kleine Gestalt lief über meinen Arm wie über eine Brücke, kletterte den weißen Berg meines Kopfkissens hinauf und blieb vor meiner Nase stehen. Es war meine Lieblings-Playmo, das Mädchen in dem rosa Kleid. Sie lächelte mich mit ihrem aufgedruckten Mund an. Dann krabbelte sie weiter, ich fühlte die winzigen Plastikhände auf meinem Gesicht. Sie zog sich an meinen Haaren hinauf, die für sie dicke Taue sein mussten, bis sie oben auf meinem Kopf thronte. Und ich wusste, dass sie dort oben Wache hielt und aufpasste, dass mir nichts geschah.
    Ich lächelte und schlief ein.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, dachte ich, es wäre nur ein Traum gewesen. Die Enttäuschung drückte mich tief in mein Kissen. Doch dann rutschte etwas Kleines meine Nase hinunter.
    Da stand sie. Winzig wie ein rosa Punkt, aber quicklebendig. Pippa.

Brüder
    Nachdem die Schule aus ist, bleibe ich auf dem Schulhof stehen und sehe den älteren Kindern beim Fußballspielen zu. Jessie stürmt voran. Sie ist das einzige Mädchen, ihr Zopf hat sich halb aufgelöst und sie hat den Ball.
    Sie würdigt mich keines Blickes.
    „Was machen wir jetzt? Gehen wir nach Hause?“, fragt Pippa.
    „Nee“, sage ich und kicke einen Stein vor mir her, so wie Jessie ihren Ball. „Du weißt, wie sie an solchen Tagen ist. Sie liegt immer nur auf dem Sofa, und wir müssen leise sein, so leise, als wären wir gar nicht da, und uns
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