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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde
Autoren: Johanna Adorján
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noch, als im Saal Applaus aufbrandet, hustet, als Mencken die Stufen zur Bühne erklimmt, hustet, als jener den Pokal entgegennimmt, den Theodor auf sein Kaminsims hatte stellen wollen. Erst als Mencken mit seiner Dankesrede beginnt, lässt der Hustenreiz nach und verklingt in einem trockenen letzten Bellen. Theodor wagt nicht, seine Frau anzusehen, obwohl es ihn stark danach drängt. Er weiß nicht, was ihm peinlicher ist, die Niederlage oder der Husten, der natürlich im ganzen Saal zu hören war, bestimmt viele Blicke auf ihn, den Verlierer, gezogen hat und ihn nun mit hochrotem Kopf hinterlässt, als wäre die Demütigung der Niederlage noch nicht genug. Er wagt auch nicht, das Stofftaschentuch aus der Innentasche seines Jacketts zu ziehen, um sich damit den Schweiß von der Stirn zu tupfen. Wagt nicht, sich zu bewegen. Kaum zu atmen. Mencken redet lange, viel länger als 1 Minute und 51 Sekunden, und Theodor, der die Ansprache als Störgeräusch wahrnimmt, schrickt auf, als er plötzlich seinen eigenen Namen hört. Aber da spricht Mencken schon von etwas anderem, erzählt von seiner Begegnung mit Hans Wagner, von dem Theodor annimmt, dass es der ehemalige Autohändler ist. Er dreht sich jetzt doch zu seiner Frau, die er fragen will, warum gerade sein Name gefallen ist, aber als er die ernste Miene sieht, mit der sie starr geradeaus in Richtung Bühne sieht, fragt er sie stattdessen, in einem für ihn ungewohnten Anfall von Spontaneität, etwas anderes. Liebst du mich?, fragt er sie, denn er ist sich dessen plötzlich überhaupt nicht mehr gewiss. Hätte sie ihm nicht über den Arm streicheln müssen, als ein anderer gewann, ihm etwas Liebevolles zuflüstern, etwas Tröstendes, Aufmunterndes vielleicht sogar? Er weiß, dass er es seltsam gefunden hätte, hätte Luise im Moment der Niederlage seinen Arm berührt. Und er weiß auch gar nicht, was sie hätte sagen können, das er als aufmunternd empfunden hätte. Doch mindestens ebenso seltsam findet er nun die unbeteiligte Miene, mit der sie nach vorne sieht. Theodor bringt seinen Kopf näher aeitopf nän ihr Ohr und wiederholt seine Frage. Und da sie immer noch nicht reagiert, fragt er es sogar ein drittes Mal. Da sieht ihn Luise, endlich, an. Nach einem Augenblick, der lange genug wäre, seinen vollen Namen auszusprechen, schüttelt sie beinahe unmerklich den Kopf und schenkt ihm einen der spöttischsten Blicke, mit dem sie ihn überhaupt jemals angesehen hat. Dankbar ergreift er ihre Hand.
    Sie verlassen den Veranstaltungsort direkt nach dem Ende der Zeremonie, ohne noch an einem Glas genippt oder eins der verlockend aussehenden Petits Fours probiert zu haben, die nun im Vorsaal auf versilberten Tabletts dargereicht werden. Während der Rückfahrt sprechen sie über Luca, und Theodor bietet an, mit an den Bodensee zu kommen, was Luise aber ablehnt. Anschließend macht sie ein paar kritische Anmerkungen über die Abendgarderobe diverser weiblicher Veranstaltungsgäste, die Theodor aber nicht wahrgenommen hat, weshalb er dazu nichts beitragen kann.
    Zuhause angekommen gilt Theodors erster Gang dem Wohnzimmer. Er macht das Licht an und sieht zum Kamin. Das Sims sieht nicht aus, als ob darauf etwas fehlt. Es ist ein ins Rötliche spielendes Marmorsims, dessen Maserung, wenn er es genau betrachtet, überhaupt nur ohne sich darauf befindliche Gegenstände zur Geltung kommt. Etwas erleichtert löscht Theodor das Licht und geht ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen.
    Als er ins Schlafzimmer kommt, liegt Luise bereits im Bett. Ihre Nachttischlampe brennt, aber sie hat die Augen geschlossen. Wie es ihre Art ist, liegt sie so weit außen auf ihrer Seite, dass sie bei einer unachtsamen Bewegung in Gefahr wäre, herunterzufallen. Auf einmal wird Theodor von einem riesigen, warmen Gefühl überrascht, das sich in seiner Magengegend zusammenballt und binnen Hundertstelsekunden bis hinauf an seine Schädeldecke steigt. Was ist schon ein dämlicher Journalistenpreis im Vergleich zu meinem alltäglichen Glück, denkt er, und klettert zu seiner Frau ins Bett, wobei er die Decke ganz vorsichtig, um sie nicht zu wecken, anhebt. Marcel de Laurentis’ Anzug hat ihn übrigens enttäuscht. Er trug Moosgrün und sah wie ein Jäger aus. Über diesem Gedanken schläft Theodor ein.



FRAU WEBER
     
    Seine aktuelle Therapeutin hieß Frau Weber und hatte ihre Praxis in Schöneberg im dritten Stock eines etwas in die Jahre gekommenen Mietshauses. Sie war eine große Frau mit ehemals
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