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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben /
Autoren: Petra Busch
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und musterte seinen Kollegen Paul Freitag, der ihm gegenübersaß und konzentriert auf seinen Monitor blickte.
    »Neuigkeiten?«, fragte er und fischte die Wasserflasche zwischen Rechnertastatur, Papierstapeln und einem Durcheinander von Stiften, einem Locher, Zetteln und CDs hervor. Wie immer war er Punkt sieben Uhr fünfzehn mit dem Fahrrad in den Carport der Polizeidirektion Freiburg eingebogen, hatte rasch geduscht und sich ein frisches T-Shirt übergezogen.

many ways make my day,
stand jetzt in schwarzen, abstrakten Lettern auf seiner dunkelorange bekleideten Brust.
    »Versuchte Vergewaltigung bei einem Bikertreffen.« Freitag verzog den Mund. »Ein Harleyfahrer wie aus dem Bilderbuch. Ein Berg von Mann, übersät mit Tattoos und mit Bierfahne. Und dann: Eingeknickt wie ein Baby, als er die Kollegen schon von weitem gesehen hat.«
    Ehrlinspiel fuhr seinen Rechner hoch und scrollte wie sein Kollege durch die Pressemitteilungen und internen Meldungen der letzten Stunden. »Nichts als sexuell gestörte Typen, prügelnde Betrunkene, Verkehrsunfälle, Einbrüche. Und der Nacktläufer war auch auf Tour.« Er blähte die Nasenflügel. »Hat den Kollegen wieder einmal die alte Leier aufs Auge gedrückt von wegen innerer Befreiung und Öffnen der Poren, damit der Kosmos ins Karma dringen kann.« Er schüttelte den Kopf. »Kaum etwas fürs Dezernat 11 dabei. Warum müssen eigentlich immer wir zwei in diesen Sommerwochen die Stellung halten?«
    »
Du,
Moritz. Nicht
wir.
« Kriminalkommissar Paul Freitag lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »In knapp drei Wochen bin ich in Dänemark. Ostseeküste. Familienhotel mit Ponys und eigenem Sandstrand, Badeanlage mit Rutschen, Saftbar, schattige Promenaden, frischer Wind, Möwen über dem Meer …« Er grinste. »Keine Kinder – kein Recht auf Sommerferien. Ganz einfach.«
    Ehrlinspiel setzte eine gespielt beleidigte Miene auf. »Ich fahre mit Bentley und Bugatti weg. Kater müssen schließlich auch einmal woanders jagen.«
    »Jagen?« Freitag spitzte die Lippen. »Die beiden jagen doch höchstens in deinen heimischen Kochtöpfen. Apropos« – er deutete mit dem Kinn auf eine Schatulle, die neben Ehrlinspiels Rechner stand –, »hast du eigentlich die geheime Schenkerin inzwischen erlegt?
Fleischeslust?
« Er zwinkerte.
    Ehrlinspiel schüttelte den Kopf und betrachtete die Perlen auf der Schatulle. Sie bildeten den Schriftzug
B&B-Gourmetbox,
und der Hauptkommissar sammelte in ihr Rezeptideen für Katzenfutter. Seit die Box eines Morgens auf seinem Tisch gestanden hatte, leer bis auf einen Zettel mit dem Wort
Fleischeslust,
suchte er die Gönnerin zu enttarnen. Doch alle Spuren hatten bislang zu nichts anderem außer dummen Sprüchen seitens seiner männlichen Kollegen geführt. »Immer noch im Fleischesfrust? Probier’s mal mit Gemüselust!« oder »Ich sehe schon die Aasgeier über deinem alten Singlebody kreisen.«
    Freitag blickte in die Zeitung. »Er war auf Trab bei Morgenrot, doch jetzt ist Jäger Jürgen tot«, zitierte er. »Da siehst du’s!« Wie meist, hatte er die Seite mit den Todesanzeigen aufgeschlagen.
    »Wie viele hast du eigentlich schon?« Sicher quoll Freitags Archiv mit den Jahren über. Zwölf bis fünfzehn Schuhkartons, schätzte Ehrlinspiel, reihten sich im Regal hinter Freitags heimischem Schreibtisch aneinander. Seine Leidenschaft gehörte dem Sammeln skurriler Todesanzeigen und Nachrufe. Tiefste Tragik und ungewollte, höchste Komik lagen darin dicht beieinander. Alle drei bis vier Monate blickte Freitag morgens drein wie ein Totengräber nach einer Massenbestattung, weil er die Nacht mit dem Sortieren und Scannen der Annoncen verbracht hatte. Die Kategorie
Makabres
umfasste den größten Teil der Sammlung, dicht gefolgt von
Beruf & Hobby
sowie
Lyrisches
und schließlich
Hass & Zwist, Enigmatisches, Tiere
und
Selbstanzeigen.
    »Achttausenddreihundertundfünfundzwanzig. Mit Jäger Jürgen.« Freitag faltete die Zeitung zusammen. »Lilian meint, ich soll ein Buch daraus machen.«
    »Und
ich
meine, wir sollten mal wieder zusammen grillen.« Ehrlinspiel stand auf und ging um den großen, ovalen Schreibtisch herum, den die Kommissare sich seit vielen Jahren teilten.
    Hier oben, vom dritten Stock, Zimmer I-334, blickten sie auf den Innenhof. Der Rotahorn mit seinem dichten, purpurnen Blätterkleid verkörperte für Ehrlinspiel Stärke und Optimismus. Wenn er nachdachte, stellte er sich oft ans Fenster und blickte auf
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