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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben /
Autoren: Petra Busch
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ein.
    »Jetzt haben wir’s gleich«, sagte Thea und trug das Gehwägelchen zum Hauseingang hinauf. Danach half sie der alten Frau Stufe für Stufe nach oben, machte dabei auf dem breiten Treppenabsatz Pause mit ihr, schob sie dann sanft weiter.
    »Sie sind so eine gute Seele, Kindchen«, sagte Hilde Wimmer und nickte. »Was würde ich nur ohne Sie machen.«
    »Ich bin immer da, wenn Sie mich brauchen, das wissen Sie doch.« Thea lächelte, legte einen Arm um den Rücken ihrer Nachbarin und drückte mit genau der richtigen Kraft leicht nach oben, so dass sie die nächste Stufe bezwang.
    »Gute Seele«, wiederholte Hilde Wimmer, und Thea betrachtete sie von der Seite. Sie hatte helle, wässrige Augen, lange, fast durchsichtige Wimpern und hohe Wangen, auf denen zahlreiche Altersflecke die pergamentene Haut überzogen. Sie war sicher einmal eine schöne Frau gewesen.
    Bis sie oben waren, schien Thea eine weitere Ewigkeit vergangen zu sein. Doch sie hatte sowieso nichts zu tun. Und Geduld – das war eine Tugend, die sie verinnerlicht hatte wie kaum ein anderer Mensch.
    Sie kramte den Hausschlüssel hervor. Miriam arbeitete noch. Thea versuchte, sich zu erinnern, wo sie gerade war, aber es fiel ihr nicht ein. Doch bestimmt hatte Miriam ihr einen Teller gedünstetes Gemüse im Kühlschrank bereitgestellt. Sie lächelte.
    Wie unterschiedlich die beiden doch waren. Ihre Tochter, die geduldig war, fürsorglich und still, und der nie ein böses Wort über die Lippen kam. Und Gabriele Hofmann, laut, zornig und enttäuscht vom Leben. Die Hofmann passt in den trostlosen Wohnblock ein paar Straßen weiter, dachte Thea und schämte sich sofort für diesen Gedanken. Er war ungerecht. Sie kannte die genauen Hintergründe nicht, die die Hofmann dorthin geführt hatten. In ein Umfeld, das alles andere war als ein Ort der Stars und Erfolge. Zumindest glaubte Thea, dass die nahe gelegenen Hochhäuser anonym waren und die Menschen dort unendlich einsam. Genau wissen tat – und wollte – sie es nicht. Erst recht nicht von Gabriele Hofmann.
    Im Haus schlug ihr der Geruch nach Braten und Waschmittel entgegen, und Babygeschrei hallte durch das Treppenhaus. Das junge Pärchen aus der ersten Etage, dachte Thea. Die Wohnung von Theas Tochter und die des Pärchens lagen sich im ersten Obergeschoss gegenüber. Die Studenten hatten im Frühjahr ein Kind bekommen, und seither stritten sie pausenlos. Kein Tag verging ohne laute Worte und Türenschlagen. Was das Baby erst recht zum Weinen anstachelte. Armes Würmchen.
    Thea drückte eben auf den Knopf, um den Aufzug zu holen, als hinter einer Tür ein Hund zu kläffen begann. Im nächsten Moment flog eine andere Tür auf, und eine Frau in Blümchenkittel schoss heraus. Die Hausmeisterin. Kleine schwarze Augen funkelten Thea Roth und Hilde Wimmer an, und über einer spitzen Nase türmte sich ein filziges Etwas, das irgendwann einmal eine Hochsteckfrisur gewesen sein mochte.
    Ratte, dachte Thea.
    »Verfluchte Töle.«
    »Der Hund hat uns kommen hören, es ist bestimmt nur eine Begrüßung«, sagte Thea.
    Im Aufzugsschacht rumpelte es laut.
    »Abmurksen sollte man das Vieh!«, rief die Ratte und eilte zu der Tür, durch die jetzt ein klägliches Winseln drang. »Kläfft hier seit einer geschlagenen Stunde herum.«
    Der Hund begann, an der Tür zu kratzen, bellte.
    »Halt die Schnauze«, brüllte die Ratte und drückte dann ihr Ohr gegen die Tür. Das Winseln wurde leiser, klang beinahe fragend.
    Thea stellte sich vor, wie der Hund herausschoss, auf die Ratte zu, und sich in die blaugeäderten Waden mit den Nylonstrümpfen verbiss.
    Hilde Wimmer schüttelte den Kopf. »Er hat Durst, sag ich Ihnen.« Dann ereiferte sie sich plötzlich: »Aber wenn der Hund eingesperrt ist, verteilt er wenigstens keinen Kot auf den Wegen. Widerlich ist das. Fahren Sie da mal mit diesem Ding durch!« Sie ruckelte am Rollator.
    »Wissen Sie was, wir trinken jetzt noch eine Tasse Eistee zusammen.« Thea bugsierte die Alte sanft in die Aufzugskabine. »Einverstanden?« Sie drückte die Taste mit der 2.
    »Und Sie lesen mir auch die Standesamtnachrichten aus der Zeitung vor?«
    »Natürlich.« Thea tätschelte vorsichtig die verkrümmten Finger.
    Die Metallwände schlossen sich um die beiden Frauen und schluckten das erneute Bellen des Hundes. Ein verstohlenes Lächeln schlich sich auf Thea Roths Gesicht.

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3
    Dienstag, 27. Juli
    K riminalhauptkommissar Moritz Ehrlinspiel stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch
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