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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben /
Autoren: Petra Busch
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Gabriele Hofmann sollte sich besser pflegen bei ihrem Job, dachte sie und blickte in das aufgedunsene Gesicht, aus dem ihr zwei kleine Äuglein unter ungleichmäßig gezupften Augenbrauen entgegenblickten. Ihre Wimperntusche war leicht verlaufen und bahnte sich den Weg über eine der feisten Wangen, als hätte die Arzthelferin geweint. Thea überlegte, ob sie sie auf das Malheur hinweisen sollte, als das Telefon hinter dem Tresen klingelte.
    »Sie waren beim Friseur.« Hofmann strahlte sie an, nahm den Hörer ab und legte kurz die Hand über die Muschel. »Sie sehen umwerfend aus«, fügte sie mit einem vertraulichen Zwinkern hinzu und flötete dann ins Telefon: »Praxis Doktor Jakob Wittke, Gabriele Hofmann am Apparat?«
    Erleichtert über die Unterbrechung, gab Thea Roth ihr ein Zeichen, dass sie ins Wartezimmer gehe, und setzte sich dort auf einen der Plastiklehnstühle. Außer ihr war nur eine Frau im Raum. Sie nickte ihr zu, und die andere blätterte weiter in ihrer Illustrierten.
    Thea fuhr sich durch das frisch geschnittene Haar und dachte an Hilde Wimmer. Sie begleitete die 87-jährige Nachbarin alle zwei Wochen zum Hausarzt, und selbst die wenigen Meter von ihrer Wohnung bis zu der Praxis fielen der alten Dame schwer. Auf ihr Gehwägelchen gestützt, setzte sie mühsam einen Fuß vor den andern, Thea Roth an ihrer Seite. Wenn sie die Häuserzeile entlanggingen und wenn Thea merkte, wie gut ihre Zuwendung Hilde Wimmer tat, wie munter sie von ihrem Leben erzählte und ihre Gebrechen vergaß, huschte immer ein Lächeln über ihr eigenes Gesicht. Das Reden und die kurze Zeit, in der die Mühseligkeiten des Alters vergessen waren, schienen mehr wert als alle Pillen zusammen.
    Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür, und Gabriele Hofmann bat die Patientin ins Sprechzimmer. Dann schloss sie die Tür von innen und setzte sich neben Thea. Der Stuhl ächzte.
    Thea seufzte in Gedanken und stellte sich vor, wie die Arzthelferin gleich wieder aufstehen und der Stuhl sich an ihrem Hintern festklemmen würde.
    »Der Chef mag das ja eigentlich nicht«, sagte Hofmann und beugte sich herüber, »aber so ein Minütchen …«
    »Wo ist Frau Wimmer?«
    »Die Kollegin gibt ihr noch ’ne Spritze.«
    »Ah.« Sie war Hofmann also höchstens fünf Minuten lang ausgeliefert.
    »Die Männer werden Ihnen nachlaufen«, flötete Hofmann mit einem Blick auf Theas Frisur und flüsterte dann: »Das würde ich mir auch mal wieder wünschen.« Ihre Lippen bewegten sich hastig, während sie mit den Händen über ihre Oberschenkel rieb. »Mein Ex schwört ja immer noch, ihn hätten meine Haare und meine Pfunde nicht gestört. Aber ich weiß es besser. Mit mir kann man so was nicht machen. Wissen Sie, ich merk ja gleich, wenn einer ’ne andere hat. Er war ein« – sie senkte die Stimme, und ihre Hände kamen zur Ruhe – »Dreckskerl. Sie finden doch auch, dass es richtig war, ihn rauszuwerfen? Also, ich mein, ich war immer gut zu ihm, und dann so was! Ich hab …«
    »Sicher«, murmelte Thea und hörte nicht mehr hin. Sie wusste genau, was jetzt kam. Gabriele Hofmanns Schweinebraten in Karottensud nach dem Rezept ihrer Oma. Seine Leibspeise. Ihre polierten Wohnzimmerschränke. Die zwei Flaschen alkoholfreien Biers im Kühlschrank, für seinen Fernsehabend. Ihre Hingabe, mit der sie während jedem öden Fußballspiel und dröhnenden Formel-1-Rennen neben ihm ausgeharrt hatte, bereit, ihn nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen. Der Verräter von Ehemann, der als Dank mit irgendwelchen jungen Schlampen durch teure Cocktailbars gezogen war, selbst aber nur Orangensaft trank; der das Geld im Lotto verzockt hatte, eines Tages samt Fernseher, DVD -Spieler und dem gemeinsamen Auto verschwunden war – und eine Woche später reumütig wieder vor der Tür gestanden hatte. Das Schwein, dem die Hofmann schließlich die Koffer vor die Tür der gemeinsamen Wohnung gestellt hatte. Und dem sie aus Stolz bis heute die Scheidung verweigerte. Die ausschweifende Fassung eines nüchternen Scheiterns. Betrug. Schmerz. Zorn und Rache. Ein Klassiker. Im Grunde banal.
    »Ist das nicht der Gipfel? Kommt der einfach zurück, als wär nichts gewesen, und denkt, ich schließ ihn wieder in die Arme. Na, der soll sich vorsehen!«, beendete die Arzthelferin ihren Redefluss. Ihre Wangen glühten in diesem typischen fleckigen Rotviolett, das Thea schon öfter bei ihr wahrgenommen hatte.
    Es ist nicht nur die Hitze, dachte Thea und sagte: »Sie arbeiten in dieser
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