Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben /
Autoren: Petra Busch
Vom Netzwerk:
Zenker«, sagte der Uniformierte und nickte Ehrlinspiel zu. »Hallo, Herr Kriminalhauptkommissar.« Zynisch betonte er jede Silbe von Ehrlinspiels Dienstgrad. Weder sein Mund noch seine Augen verrieten ein Lächeln. »So schnell sieht man sich wieder.«
    Ehrlinspiel blickte auf Franz’ birnenförmigen Kopf, der mit dem Hals verschmolz und von kleinen Löckchen gekrönt war. Erst vor wenigen Wochen hatte der Kollege vom Revier Süd, das im Gebäudeflügel neben Ehrlinspiels Büro lag, zu dem Polizeiposten Stühlinger gewechselt. Nicht einer hatte ihm zum Abschied die Hand gedrückt. Jetzt war er hierhergeschickt worden und hatte – garantiert erleichtert darüber, dass ein Toter nicht in seinen Zuständigkeitsbereich gehörte, jede Art Essen dagegen sehr wohl – kurzerhand ein zweites Mal gefrühstückt. Mit der Zeugin.
    »Guten Morgen, Herr Polizeihauptmeister«, erwiderte Ehrlinspiel und konterte damit Franz’ Affront, einen Kollegen mit dem Dienstgrad anzusprechen. »Kaffeeplausch beendet? Wollten Sie sich schon verabschieden aus diesem gastlichen Haus?«
    Oben schlug eine Tür zu, und ein junges Paar kam die Treppe herunter. Die Frau trug ein Baby in einem Tragetuch vor der Brust. Für einen Moment glaubte Ehrlinspiel, der schwarzhaarige Mann mit der dunklen Haut wollte etwas sagen, doch seine Partnerin – mit kurzen, blonden Stoppelhaaren, Lippenpiercings und hautengen Hosen – zischte ihm etwas zu, und sie gingen vorbei.
    »Ich habe mit Frau Zenker gesprochen. Sie ist eine wichtige Zeugin. Es ist alles protokolliert«, sagte Stefan Franz. »War das falsch?«
    »Sie wissen schon, wie Sie sich immer das beste Stück vom Kuchen einverleiben können, nicht wahr? Kommen Sie doch bitte mit herein.« Ehrlinspiel lächelte. Er war sich noch immer nicht sicher, ob Franz, der stets nach Zwieback roch, die Rolle des Tumben nur spielte oder ob seine Naivität echt war. Er wandte sich an die Hausmeisterin: »Eventuell habe ich später noch einige Fragen an Sie.«
    »Also«, fragte Ehrlinspiel Franz barsch, als sie in der Wohnung des Toten waren und der Polizeihauptmeister umständlich in einen Overall stieg, »was hatte die Dame zu sagen?«
    »Sie hat sich über das Gekläffe geärgert«, gab Franz monoton zurück und zog den Reißverschluss zu. »Kam ihr seltsam vor. Sie ist mit dem Schlüssel rein. Der Mann lag da in Kot und Pisse. Da hat sie die 110 angerufen. Das Führungs- und Lagezentrum hat mich hergeschickt.«
    »Ist das alles?« Ehrlinspiel widerstand dem Reflex, den Mann zurechtzuweisen, während sie in die Küche gingen.
    Dort kniete Felber und entkleidete den Toten. Weil die Totenstarre offenbar schon vollständig eingetreten war, schnitt er die Hose auf. Wie das T-Shirt klebte er auch diese mit breiten Streifen Klebeband ab, damit mögliche Fremdfasern nicht verlorengingen. Zwischendurch fotografierte er den Toten mehrmals aus verschiedenen Perspektiven. Auf der Seite des Leichnams, die dem Boden zugewandt war, hatten sich große, bläuliche Totenflecke gebildet.
    »Wirkte Frau Zenker glaubhaft?«, fragte Ehrlinspiel den Polizeihauptmeister. »Aufmerksam? Kannte sie den Toten näher?«
    Franz zuckte mit den Schultern, und am liebsten hätte Ehrlinspiel ihm ein Feuerzeug unter den breiten Hintern gehalten, um ihn auf Touren zu bringen. Manchmal waren Raucher eindeutig im Vorteil.
    »Der Typ knallt keine Tante mehr«, sagte Franz mit einem Grinsen, das gelbe Zähne entblößte, und setzte sich auf die Kante des Küchentischs. »Der CD -Player lief übrigens noch. Uralte Songs von den
Rolling Stones,
auf Endlos-Wiederholung geschaltet.«
    »Runter vom Tisch«, zischte Lukas Felber und drückte mit zusammengekniffenen Augen auf einen der Leichenflecke, dessen Farbe und Lage sich dabei nicht veränderte. Bestimmt hätte auch Lukas dem Kollegen gern eine Nachhilfestunde in Sachen freundliches Benehmen und Pietät verpasst, dachte Ehrlinspiel. Doch dazu ist er zu diskret. Lukas Felber war keiner, der andere grob zurechtwies.
    Gärtner musste länger als zehn Stunden tot sein. Zwar waren Totenstarre und Leichenflecke kein zuverlässiges Mittel zur Bestimmung des Todeszeitpunktes, erste Anhaltspunkte konnten sie dennoch liefern: In den ersten Stunden nach Todeseintritt ließen sich die Flecke wegdrücken. Bei Gärtner waren sie fixiert. Postmortale Austrocknung, Zerfall roter Blutkörperchen, Austritt von Hämoglobin ins gefäßangrenzende Gewebe. Mit manchen Dingen war man vertraut, obwohl man es nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher