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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben /
Autoren: Petra Busch
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Kühlfach warten müssen. Und Ehrlinspiel konnte bis dahin ein paar Aktenberge abtragen.
    Im Nebenzimmer begann der Hund zu jaulen. Der Hauptkommissar füllte den Wassernapf, ging hinüber und fand sich unmittelbar im Schlafzimmer des Toten wieder. »Du bist aber auch schon ein älteres Semester«, sagte er und kraulte das Fell, das fast dieselbe graubraune Farbe wie die Haare des Toten hatte, während das Tier gierig soff.
    Felber war noch nicht durch mit der Spurensicherung. Einen vorsichtigen Blick konnte Ehrlinspiel trotzdem in den Raum werfen. Doch er entdeckte nichts Interessantes. Ein schmales Bett, ein Hocker, ein zweitüriger Kleiderschrank, in den der Hund die Schnauze steckte, als der Kriminalhauptkommissar Handschuhe anzog und ihn öffnete. Zwei Hosen, verwaschene Überhemden, einige T-Shirts. Ein schiefer Stapel Doppelripp-Unterwäsche. Socken mit dünnen Fersen und ausgeleierten Bündchen. Ein Winterpullover. Und der Geruch von Staub. »Was für ein Leben«, murmelte Ehrlinspiel und sah zu dem Hund. »Und was soll jetzt aus dir werden?« Zwei dunkle Augen blickten ihn aus einem schiefgelegten Kopf an. Ihm wurde die Kehle eng. »Wer will denn so einen alten Kerl?«
    Auch seine beiden Kater waren nach einem Fall »übrig geblieben«, wie er gern sagte. Als sei es gestern gewesen, sah er das Bild ihrer Vorbesitzerin vor sich: Die alleinstehende Frau war erstochen und mit abgetrennten Händen und Füßen vor einer Kapelle abgelegt worden. Bis heute war der Fall ungeklärt. Die jungen Tiere ihrer Zucht hatten sofort vermittelt werden können. Die Brüder Bentley und Bugatti aber, schon damals neun Jahre alt und unzertrennlich, waren in ihrem Weidekorb buchstäblich sitzen geblieben. Ehrlinspiel musste die beiden ins Tierheim bringen. Auf halber Strecke dorthin hatte er kehrtgemacht. Und war bis heute dankbar dafür. Auch das war im Hochsommer gewesen.
    Ich muss mir etwas für den Hund einfallen lassen, dachte er.

[home]
4
    Donnerstag, 29. Juli, 14:00 Uhr
    E hrlinspiel fröstelte. Das leise Klackern, wenn die Edelstahlbahren über den Fliesenboden des Sektionssaals zurück zum Kühlraum gerollt wurden, erfasste ihn stets wie mit kalten Fingern. Manch einer, dem er von diesem geradezu körperlichen Empfinden erzählte, mochte ein wohliges Gruseln spüren. Für den Hauptkommissar war es bedrückende Realität. Ein brutales Gehen. Das abscheuliche Ende menschlichen Daseins.
    »Schon wieder so blass, Moritz?«, sagte Professor Reinhard Larsson, streifte die orangefarbenen Handschuhe ab, desinfizierte Hände und Unterarme und warf OP -Hose und -Mantel in den Wäschesack zwischen Metallschränken und Lüftungsschacht. »Lass uns in mein Büro gehen.«
    Erleichtert folgte Ehrlinspiel dem Rechtsmediziner aus dem weiß gekachelten Raum. Dass der klimatisiert war, hatte dem Kommissar trotz der bleiernen Hitze, aus der er vor rund eineinhalb Stunden hier hereingekommen war, keine Erleichterung verschafft. Auch in den beiden Tagen seit dem Leichenfund hatte das Wetter keinerlei Hoffnung auf einen Windhauch oder gar einen kühlen Tropfen Regen aufkommen lassen.
    Die Obduktion hatte als Routinearbeit ohne die Anwesenheit eines Kripobeamten begonnen – bis Larsson die Sektion unterbrochen und Ehrlinspiel angerufen hatte: Es waren Hinweise für einen Mord entdeckt worden. Erst als der Kommissar im Institut war, hatten die Mediziner ihre Arbeit fortgesetzt.
    »Vorläufiges Ergebnis?«, fragte Ehrlinspiel jetzt, nahm auf dem Stuhl vor Larssons Schreibtisch Platz und sah über Stapel medizinischer Fachbücher hinweg in das auffallend symmetrische Gesicht seines Gegenübers.
    Kerzengerade thronte der auf seinem ledernen Bürostuhl. Mit seinem perfekt getrimmten, aschblonden Ziegenbärtchen, der Brille mit dem dunklen Kunststoffgestell und der schwarzen Markenkleidung erinnerte Reinhard Larsson ihn immer an einen Designer aus einer dieser Nobelagenturen.
    »War es wirklich Mord?«
    Larsson lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Dieses Wort nehme ich nicht in den Mund. Ich könnte mich allerdings« – er schürzte die Lippen – »zu einem zarten ›Tötungsdelikt‹ hinreißen lassen.«
    »Könntest oder tust? Du hast mich immerhin herzitiert.« Ehrlinspiel spürte leichte Kopfschmerzen. Zu gern hätte er sie dem Wetter zugeschrieben. Doch er kannte seine Reaktion auf so manchen Zeitgenossen gut genug, um zu wissen, dass sie die Folge einer mühsam bewahrten Beherrschung waren. Larsson gehörte zu
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