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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder
Autoren: Kerstin Herrnkind
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gewichen.

    Ich aß nichts mehr, duschte nicht mehr, verzichtete darauf, mich anzuziehen und zu schminken. Wenn es an der Tür klingelte, was ein paarmal geschah, öffnete ich nicht. Im Nachthemd schlurfte ich vom Bett zur Toilette und zurück. Ich erschrak, wenn ich mich im Spiegel sah. Das Haar verfilzt. Das Gesicht bleich und ohne Leben. Meine Augen lagen tief in den Höhlen, die Wangen waren eingefallen wie die einer alten Frau. Mein Spiegelbild zeigte nicht einmal mehr den Schatten jener PR-Frau, die ich einst gewesen war. Einer, die Designerklamotten getragen und ein Monatsgehalt für eine Handtasche hingeblättert hatte. Ich sah nun aus … schlimmer noch als meine Mutter.

    Zum Glück hatte ich mir in verschiedenen Internetapotheken einen unerschöpflichen Vorrat an Schlaftabletten bestellt, die ich mit viel Rotwein hinunterspülte. Ein Elixier, das mich tröstete. Im Dämmerschlaf hielt. Und mich langsam töten würde.

    *

    Sarah war gerade aus der Mittagspause gekommen, als Basti mit einer Eilmeldung in der Hand aus seinem Büro auf sie zustürzte.

    »Hier, lies«, befahl er und drückte ihr das Blatt Papier in die Hand.

    Innenstaatsrat Breuer tritt zurück, las Sarah. Vor einigen Tagen war ihr Bericht über den tödlichen SEK-Einsatz im Magazin erschienen und hatte in Berlin ein politisches Erdbeben ausgelöst. Der Polizeipräsident war in den Innenausschuss zitiert worden und die Opposition drohte mit einem Untersuchungsausschuss. Und nun war der Stellvertreter des Innensenators tatsächlich zurückgetreten. Breuer übernimmt die politische Verantwortung für den Tod von Hagen G., der bei einem SEK-Einsatz ums Leben gekommen ist.

    Sarah war stolz und verwirrt zugleich. Nicht im Traum hatte sie damit gerechnet, dass ihr Bericht einen solchen Wirbel auslösen würde. Alle Berliner Zeitungen zitierten seit Tagen das Magazin , ohne freilich zu ahnen, wer sich hinter der Autorin Marie Unnützer versteckte. Stollberg hatte ihr hoch und heilig versprochen, dass das Geheimnis, wer sich hinter diesem Pseudonym verbarg, beim Magazin so sicher sei, wie »in einem Schweizer Banktresor«. Zwar brauchte Sarah Hartmut jetzt nicht mehr zu fürchten. Trotzdem durfte nicht herauskommen, dass sie die Geschichte geschrieben hatte. Die Herrenburgin würde sie feuern, wenn sie von ihrem Seitensprung erführe. Dass Hartmut sie dazu getrieben hatte, spielte keine Rolle. Und Basti, der ja erst wenige Wochen Lokalchef war, würde sie nicht schützen können.

    Außerdem musste Sarah an Lui denken. Auch wenn der sich über seinen gelungenen Coup freute wie ein kleines Kind und keine Angst zu haben schien.

    »In der Behörde haben zig Leute Zugang zu dieser Akte«, hatte er sie beruhigt. »Natürlich hat mein Chef mich in Verdacht. Aber wenn mir dieser Besserwisser an den Karren fahren will, muss er Beweise haben. Und dich kann ja wohl niemand zwingen, Informanten zu verraten.«

    Trotzdem sehnte sich Sarah danach, wieder belanglose Kulturkritiken zu schreiben, mit denen sie höchstens ein paar zweitrangige Künstler verärgern würde. Ihr Rausch war verflogen. Sie fühlte sich, als hätte sie eine heimliche Affäre. Lange hielten ihre Nerven das nicht mehr aus.

    »Na, was sagst du jetzt?«, fragte Basti und riss ihr die Meldung wieder aus Hand. Seit er zum Lokalchef aufgestiegen war, spielte er sich ziemlich auf. Trug plötzlich dunkle Anzüge.

    Sarah schluckte trocken. Sie hatte zwar einen Staatsrat gestürzt, durfte aber die Lorbeeren nicht einheimsen.

    »Nachdem du die Polizei in deinem ersten Bericht so gelobt hast, haben wir natürlich nun ein kleines Problem.« Der leise Vorwurf in Bastis Stimme war nicht zu überhören. Er wusste ja nichts von ihrem Streit mit Hartmut. Und Matze, der ihm sicher davon erzählt hätte, um Sarahs Ehre wenigstens ein bisschen zu retten, lag seit einer Woche mit einer schweren Sommergrippe im Bett. Sie würde nach Feierabend mal bei ihm vorbeifahren und ihm Gemüsebrühe bringen.

    Sarah vermied es, Basti in die Augen zu sehen.

    »Ich werde einen Kommentar schreiben. Der Rücktritt ist ein schlauer Schachzug«, dozierte ihr neuer Chef, als hätte er in seinem Leben über nichts anderes geschrieben als über Politik. »Der Staatsrat rettet seinem Chef den Kopf. Wie beim Schach. Da opfert man auch den Bauern, um den König zu retten.«

    Sarah nickte, ihre Wangen glühten.

    »Wenn du den Kommentar schreiben würdest, sähe das irgendwie komisch aus«, fügte Basti hinzu.

    Sarah nickte
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