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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder
Autoren: Kerstin Herrnkind
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kleines Kind, das nicht mit Messer und Gabel essen kann. Aber ich rühre sowieso nichts an von diesem Zeug. Das Essen riecht schon so komisch. Wahrscheinlich ist es vergiftet.

    Die Fenster sind vergittert. Trotzdem stehe ich oft stundenlang davor, sehe nach draußen in den Park, weil es mich beruhigt. Es ist Herbst geworden. Die Kastanien werfen ihre Früchte ab. Aber im Park laufen keine Kinder herum, die sie aufsammeln. Denn der Park ist umgeben von einem hohen Zaun, den man hinter den Kastanien erkennen kann, wenn man genau hinsieht.

    Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich begriffen habe, was hier gespielt wird. Die hängen alle mit drin, das können Sie mir glauben. Der Kommissar, Dr. Zimmer, die Ärzte, selbst der Gerichtspsychiater. Einen riesigen Kinderschänderring hat Tobias da aufgezogen. Und jetzt, wo ich ihn aus dem Weg geräumt habe – dass auch Peter dran glauben musste, ahnt niemand –, soll ich mundtot gemacht werden. Stellen mich als Irre hin. Wollen mich in der Psychiatrie verschwinden lassen.

    Was für eine Ironie des Schicksals, dass mir jetzt nichts anderes übrig bleibt, als mich ausgerechnet an die Presse zu wenden. Natürlich nicht an diese Idioten vom Berliner Express , die von Anfang an nicht richtig begriffen haben, was hier gespielt wird. Erst wollten sie mich gar nicht anhören, obwohl ich der begriffsstutzigen Redaktionssekretärin alles genau erklärt habe. Und dann, als sie wohl gemerkt haben, dass ich die Wahrheit sage, wollten sie mich gleich fotografieren. Als wenn davon die Rede gewesen wäre. Durch die ganze Stadt haben sie mich gejagt.

    Nein, nein. Ich denke eher an die internationale Presse, die diese Verschwörung aufdecken soll. Ich muss nur noch jemanden finden, der meinen Bericht nach draußen schmuggelt. Damit die Nachwelt erfährt, was wirklich passiert ist.

    Allmählich wird es still auf der Station. Die Dämmerung legt sich auf den Park.
    Ich könnte die ganze Nacht durchschreiben:
    Die Erinnerungen haben sich in mein Gedächtnis gebrannt wie Jahresringe in einen Baumstamm. Wahrscheinlich, weil sie so schmerzlich sind. Jede Einzelheit ist mir präsent, so als sei es gestern gewesen …

    *

    Klara Schreyer weinte. Das Telefon in ihrer Hand zitterte. Tränenblind sah sie ihren Mann Ludger an, der aus der Küche gelaufen kam.

    »Klara, Klara, was ist?!« Ludgers Stimme kippte. Er merkte, wie seine Hände feucht wurden. Panik stieg in ihm hoch. Antonia?! Antonia, seine Tochter. Tot?! Nein!
    Ludger Schreyer hatte das Gefühl, als würde sich der Boden unter ihm auftun. Wochenlang diese Ungewissheit. Jede Nacht ohne Schlaf. Beruhigungsmittel waren für seine Frau zum Grundnahrungsmittel geworden. Das ganze Gebiet um Harre hatte die Polizei durchkämmt. Mit Hunden, Hubschraubern, Wärmebildkameras. Nichts. Er war dann selbst noch mal los, hatte unzählige Handzettel verteilt, sie in Klarsichtfolie an Bäume genagelt, in Cafés ausgehängt und einen Suchaufruf mit Antonias Fotos ins Internet gestellt. Doch Antonia blieb verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.

    Mit zittrigen Fingern drückte seine Frau auf die Lautsprechertaste, damit Ludger hören konnte, was der Polizist ihr am Telefon erzählte.
    Antonia war gefunden worden. Sie lebte. Die italienische Polizei hatte sie in Mailand aufgegriffen. Auf der Via Montenapoleone, einer der exklusivsten Einkaufsstraßen Europas. Sie war in Begleitung eines fünfundvierzigjährigen Mannes aus Berlin gewesen, der mit ihr in seinem schwarzen BMW nach Italien gefahren war. Antonia hatte bei der Mailänder Polizei angegeben, dass der Mann, den sie übers Internet kennengelernt habe, ihr Freund sei.

    Klara Schreyer hatte seinen Namen noch nie gehört. Thomas Krämer. Antonia hatte ausgesagt, dass sie mit ihm ausgerissen sei, weil ihr Harre stinke. Ihr Elternhaus, die Schule, einfach alles. Körperlich sei sie immerhin wohlauf, versuchte der Beamte die Mutter zu beruhigen. Der Mann habe Antonia neu eingekleidet und ihr bei Gucci eine Handtasche gekauft – für fast eintausendsiebenhundert Euro. Antonias einzige Sorge sei gewesen, ob sie diese Tasche behalten dürfe.

    In ein paar Stunden würde sie ein Flugzeug in Mailand besteigen und nach Berlin fliegen. Ob sie ihre Tochter vom Flughafen abholen könne, wollte der Polizist wissen. Was für eine Frage?!

    Gegen Antonias Begleiter würde die Staatsanwaltschaft natürlich ein Ermittlungsverfahren wegen Entführung und sexuellen Missbrauchs einleiten, versicherte der
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