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0761 - Der Angst-Atmer

0761 - Der Angst-Atmer

Titel: 0761 - Der Angst-Atmer
Autoren: Timothy Stahl
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Eine Antwort darauf wusste jedoch niemand. Denn niemand kannte die Wahrheit - oder fast niemand. Vielleicht sogar nur noch einer - Asmodis nämlich, der Letzte, den LUZIFER vor langer Zeit zur Audienz hinter die Flammenwand bestellt hatte. Nur so, auf das ausdrückliche Geheiß des Höllenkaisers hin, war jener feurige Wall für seine Untertanen zu durchdringen.
    Worüber hatte Asmodis, seinerzeit Fürst der Finsternis, mit dem KAISER gesprochen? Hatte er LUZIFER gesehen - oder etwa nicht? Immerhin hatte Asmodis seinen Thron unmittelbar danach aufgegeben und die sieben Kreise der Hölle verlassen. Viele deuteten dieses Verhalten jetzt, in Zeiten des Zweifels, als Zeichen dafür, dass Asmodis den KAISER womöglich nicht angetroffen hatte. Somit sah er sein eigenes Dasein, mehr noch, das höllische Reich selbst, in Frage gestellt. Vielleicht hatte er eben deshalb all dem den Rücken gekehrt.
    Mit Sicherheit wusste jedoch auch dies niemand in der Schwarzen Familie, denn Asmodis hatte nie ein Wort über seinen Besuch hinter der Flammenwand verloren.
    Nur geträumt hatte er davon…
    ***
    … vor einigen Wochen
    Asmodis, Erzdämon und Ex-Fürst der Hölle, war dem Tode näher als dem Leben, wenn auch nicht mehr so nahe wie in den Tagen unmittelbar nach dem heimtückischen Angriff. Ein Dämonen bannendes Geschoss hatte ihn getroffen und war in ihm explodiert. Abgefeuert hatte es Rico Calderone, dem zum Dämon gewordenen Mensch, der inzwischen Satans Ministerpräsident war. Nicole Duval, Lebensgefährtin und Partnerin des Dämonenjägers Zamorra, hatte den schwer verletzten Asmodis nach Caermardhin gebracht. [1]
    Hier, in der Regenerationskammer der unsichtbaren Burg seines Bruders Merlin, lag Asmodis nun, weder schlafend noch im Koma. Stattdessen war er in einem Zustand, für den es in den Erdensprachen kein Wort gab, weil die Menschen ihn nicht kannten. Am ehesten und einfachsten ließ sich vielleicht sagen, dass Asmodis schlicht seiner Genesung harrte.
    Ein höchst unangenehmer Prozess. Die Heilung der schlimmen Verletzungen ging nicht schmerzlos vonstatten. Im Gegenteil, der Ex-Teufel litt wahre Höllenqualen. Denn die Schmerzen, die ihm die magische Kugel beschert hatte, begleiteten auch die Gesundung. In umgekehrter Folge zwar, aber das machte im Grunde keinen Unterschied.
    Asmodis war froh, dass er wenigstens in einer Hinsicht einem Menschen glich, der zwischen Leben und Tod schwebte.
    Es hieß, dass Menschen im Angesicht des Todes ihr ganzes Leben noch einmal im Schnelldurchgang an sich vorüberziehen sahen. Und Asmodis erging es ebenso. Nur währte diese Revue in seinem besonderen Fall nicht bloß einen Augenblick, sondern Tage. Schließlich zählte sein Leben nicht nur nach Dutzenden von Jahren. Nein, er lebte seit Jahrtausenden, und jedes einzelne davon war von ungezählten Ereignissen geprägt. In dieser Rückschau auf sein Leben fand der schwer verletzte Erzdämon Ablenkung von der Pein, die mit dem Heilungsprozess einherging.
    Die Erinnerungen kamen nicht in chronologischer Abfolge, und manche Ereignisse fanden sich gar nicht darin wieder. An seine Anfänge, an die »Jugendjahre« mit seinem Bruder Merlin zum Beispiel, entsann Asmodis sich kaum. Zu dicht lag der Nebel der Zeit darüber, zu lange war es her, als dass er sich noch klar daran erinnern würde.
    Andere Vorkommnisse hingegen kamen ihm mehrmals in den Sinn, während er in jenem namenlosen Zustand dalag und darauf wartete, wieder zu erstarken. Es handelte sich dabei um die wichtigsten Begebenheiten seines Daseins.
    So sah er sich beispielsweise mit dem Nazarener in der Wüste, wo er sich vierzig Tage lang bemühte, ihn in Versuchung zu bringen. Gewiss ein Höhepunkt seines teuflischen Wirkens, auch wenn der Versuch seinerzeit fehlgeschlagen war…
    Am häufigsten aber wiederholte sich in seinem Geist das wohl einschneidendste Erlebnis von allen, das schließlich sein ganzes Leben verändert und seinen weiteren Fortgang bestimmt hatte: seine Audienz bei LUZIFER hinter der Flammenwand.
    Seinen Schmerzen zum Trotz und obwohl er weder wach war noch schlief, lächelte der Ex-Fürst. Vor gut 15 oder 20 Jahren nach menschlicher Zeitrechnung hatte dieser Besuch stattgefunden. Für Asmodis - der zeitlich in ganz anderen Dimensionen dachte und lebte als die Sterblichen - war es wie gestern oder vorgestern gewesen.
    Und seither hätte so mancher Dämon vieles, wenn nicht alles darum gegeben zu erfahren, worum es bei dieser Begegnung zwischen Fürst und KAISER
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