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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder
Autoren: Kerstin Herrnkind
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die CIA-Agenten leibhaftig vor sich gesehen, mit ihnen geredet, Aufträge entgegengenommen. Besonders schmerzlich war für ihn die Erkenntnis gewesen, dass sein Studienfreund, mit dem er glaubte, jahrelang durch dick und dünn gegangen zu sein, nur in seiner kranken Fantasie existierte. Doch während Nash eines Tages geheilt worden war, hatte der Wahn Xenia Rabe zur Mörderin werden lassen. Und ihre Tablettensucht hatte den Wahn nicht nur verschlimmert, sondern ihrem Wesen auch eine Gewaltbereitschaft entlockt, mit der niemand gerechnet hatte. Deshalb war auch das SEK angerückt, um sie festzunehmen.

    Was für eine teuflische Krankheit, dachte Zimmer und schlug die Akte zu.
    Er drehte das bauchige Glas zwischen seinen Fingern und studierte die Farbe des Weines. Das Rot war tiefdunkel, fast schwarz. Die Lampe zauberte einen glühenden Punkt auf den Grund, der anfing zu tanzen, wenn er das Glas an den Mund führte.

    Der Gutachter vermutete, dass das Verschwinden von Antonia bei Xenia Rabe ein altes Trauma wachgerüttelt habe. Möglicherweise sei sie als junges Mädchen selbst missbraucht worden. Doch seine Mandantin schwieg. Redete nicht mit der Polizei, den Ärzten oder dem Gutachter. Nicht mal mit ihm.

    »Frau Rabe, wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mit mir reden«, hatte er versucht, an sie heranzukommen. Xenia Rabe hatte nicht mal gezuckt. Mit leeren Augen hatte sie vor sich hin gestiert, als wäre er gar nicht da.

    Die Presse würde diese Geschichte natürlich ausschlachten, keine Rücksicht darauf nehmen, dass Xenia Rabe eine kranke Frau war. Sie würde die Vorurteile, denen Schizophrene ohnehin schon ausgesetzt waren, weiter schüren. Dabei wurden psychisch Kranke nicht häufiger gewalttätig als Gesunde.

    Dieser Fall führte ihm die Zerbrechlichkeit der bürgerlichen Existenz vor Augen. Dass er hier saß, teuren Rotwein trank, war zwar durchaus sein Verdienst, aber er konnte es von einer Sekunde zu anderen verlieren, wenn sein Hirnstoffwechsel plötzlich verrücktspielte.

    Sobald Xenia Rabe wieder zu Kräften gekommen und verhandlungsfähig war, würde ihr der Prozess gemacht. Sie war schuldunfähig und würde nicht ins Gefängnis kommen. Es ging nur noch um ihre Unterbringung in der forensischen Psychiatrie.
    Dort aber würde Xenia Rabe so lange bleiben, wie die Psychiater sie für gefährlich hielten. Und das konnte ein Leben lang sein.

    *

    Sebastian Schellenberger war zufrieden. Einen besseren Auftakt als die Geschichte mit Xenia Rabe hätte ihm als neuer Lokalchef gar nicht passieren können. Die Ausgabe mit seiner ersten Titelgeschichte: Wahnsinnige Berlinerin vergräbt Ehemann bei lebendigem Leibe war innerhalb weniger Stunden ausverkauft gewesen.

    Katharina Herrenburg hatte ihn angerufen und gelobt: »Sehen Sie, Herr Schellenberger, Hartmut Gnitzke wäre stolz auf Sie.«

    Natürlich wurde er als neuer Lokalchef hofiert, was Basti amüsiert zur Kenntnis nahm. Becker von der Mordkommission hatte als Erster angerufen. »Herr Schellenberger, freut mich, dass der Berliner Express jetzt so einen kompetenten Lokalchef hat. Die Sache von neulich nehmen Sie mir ja wohl nicht übel. Oder?«

    »Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden«, hatte Basti ins Telefon gekichert. »Etwa den Anschauungsunterricht am Helene-Weigel-Platz?« Abends waren sie dann zusammen ein Bierchen trinken gegangen. Seitdem duzten sie sich.

    Auch die Lokalpolitiker, die Basti früher keines Blickes gewürdigt hatten, drängten sich nun danach, ihn kennenzulernen. Seine heiß geliebte Lederjacke hing im Schrank. Basti trug jetzt Anzüge. Manchmal, in einem unbeobachteten Moment, steckte er seine Nase in seine alte Wegbegleiterin, roch an der Mischung aus Zigarettenrauch, Schweiß und den Resten des Bieres, das Matze ihm einmal im Suff über die Jacke gekippt hatte. Was hatte er in diesem Teil nicht alles erlebt. Das Leder war an einigen Stellen rau und übersät mit kleinen und großen Kratzern. Die Jacke trug Narben, die auch seine waren.

    Komisch, dass ausgerechnet eine Verrückte mir die beste Geschichte meines Lebens beschert hat, dachte Basti manchmal. Die Fotos, die Matze damals geschossen hatte, als sie die Rabe durch die Stadt gejagt hatten, waren nun bares Geld wert. Natürlich war diese kleine Racheaktion nicht in Ordnung gewesen. Aber Matzes Kamera wäre beinahe zu Bruch gegangen, als die Rabe sie beide zur Seite geschubst hatte. Außerdem war die blöde Kuh erst in der Redaktion gewesen und hatte dann doch nicht
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