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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein
Autoren: Margaret Allan
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Bäume, von denen sie sich einen aussuchen konnte.
    Karibu stieß einen erstaunten Pfiff aus, als er die Saite an dem Langbogen vorschnellen ließ, den Maya aus dem Wald mitge bracht hatte. Er hatte keine Ahnung, wie sie darauf verfallen war, ihn anzufertigen, aber nichts, was Maya tat, konnte ihn noch überraschen.
    Sie sagte, es sei ein Geschenk von Mutter Löwe.
    Der Pfeil, den er abschoß, flog weit über den Zweiten See hin weg. Karibu hatte nicht gezielt - diese Fähigkeit hatte er sich noch nicht angeeignet -, doch der Pfeil durchbohrte durch reinen Zufall eine Ente, die auf der Seemitte vor sich hindümpelte.
    Karibu ließ den Bogen sinken und griff nach einem zweiten Pfeil, um ihn sich genauer anzusehen. Maya hatte eine Spitze, kleiner als die eines Speeres, aus einem Stück gehauen und diese an einen langen, eingekerbten Stock gebunden.
    Mit dieser Waffe würden selbst wenige Jäger keine Mühe haben, bei der Jagd zum Erfolg zu kommen. Wieder hob er seinen Bogen. Er wollte sicherstellen, daß er ihn im Ernstfall auch richtig benutzen konnte. Und der Ernstfall würde kommen. Der Sommer zog herauf.
    Der Pfeil surrte, als er durch die Luft schwirrte. Karibu lächelte und bückte sich nach einem weiteren.
    Im Hochsommer versammelte sich die kleine Schar am Eingang des Grünen Tals. Sie betrachteten eine Zeitlang schweigend den Sonnenaufgang, sprachen wenig.
    Dann trat Wolf zu seiner Schwester, schlang die Arme um sie und drückte sie an sich. »Bist du dir auch völlig sicher?« fragte er.
    Sie lächelte. »Ja.«
    Er nickte und trat zurück. »Dann sei die Große Mutter mit euch.«
    »Und mit dir«, gab sie zur Antwort. »Und das wird sie sein, Wolf. Sie liebt das Volk.«
    Wolf versuchte zu lächeln. Es kostete ihn unendliche Mühe. »Ich liebe dich, Maya«, sagte er.
    »Ich liebe dich auch, Bruder.«
    Schweigend sahen sie einander an. Tränen schimmerten in Mayas Augen, doch es waren Tränen des Glücks. Alte Beere stapfte vor. Sie drückte Maya ein schweres Bündel in die Arme. »Laß deinen starken Mann das tragen«, sagte sie barsch. »Du wirst es brauchen. Krauter, Gräser und anderes mehr.«
    Maya ergriff das Bündel. »Ich danke dir, Beere. Du wirst mir fehlen.«
    Die alte Frau blickte finster drein. Doch dann glätteten sich ihre Züge, und auf ihnen erschien das wärmste Lächeln, das Maya jemals an ihr gesehen hatte. »Lebe wohl, meine Tochter. Lebe wohl.«
    Maya streichelte ihr zärtlich über die Wange. »Und du auch, Mutter. Du auch.«
    Karibu rief etwas zu ihr herüber; er und Ratte überwachten das Beladen der Reisegestänge, auf denen sie ihre Habe transportieren würden. »Wir brechen am besten sofort auf, Maya. Wir werden uns beeilen müssen, wenn wir den Fluß vor Einbruch der Dämmerung erreichen wollen.«
    Maya winkte ihm zu. Hinter der kleinen Schar erstreckten sich unendliche Weiten grünen Grases, das sanft in der leichten Brise wogte. Maya stellte sich vor, wie es sein würde, dort mehr Bisons zu sehen, als sie zu zählen vermochte.
    »Wolf?«
    »Ja, Maya?«
    Sie griff in eine Falte ihres Überwurfs und holte den Mammutstein hervor. »Hier«, sagte sie. »Für deine Tochter. Sein Zuhause ist hier, bei ihr.«
    Zitternd nahm Wolf den Stein in Empfang. »Bist du dir sicher?«
    Sie n ickte. Wolfs Tochter hatte ein grünes und ein blaues Auge.
    »Sie ist noch so jung«, sagte Wolf.
    »Das spielt keine Rolle. Wenn sie ihn braucht, wird sie wis sen, wann die Zeit gekommen ist.«
    Ein letztes Mal sah Wolf seine Schwester an, und sein starrer Blick versuchte jede Einzelheit ihrer Züge und ihrer Gestalt in sich aufzusaugen. Er fürchtete, daß er sie nie wieder sehen würde, und er sollte sich nicht irren.
    Maya legte ihm die Hand auf die Schulter. »Und sag ihr dies: Wenn sie zur Großen Mutter heimgeht, muß der Stein mit ihrer Asche in der Erde begraben werden.«
    Wolf nickte, obwohl er sie nicht verstand, denn was sie soeben geboten hatte, war eine neue Art, die Geister der Toten zur Mutter heimzuschicken. Er sagte zwar nichts, aber sie spürte, daß Fragen in ihm brannten. »Es ist alles gut«, sagte sie ihm. »Er wird wieder gebraucht werden. Später. Fürs erste ist seine Aufgabe wohl fast erfüllt.«
    Sie umarmten sich ein letztes Mal, dann wandte Maya sich um.
    Und so blieb sie Wolf in Erinnerung, ihr Antlitz der Steppe zugewandt, als sie zu ihrem Gatten trat und ganz langsam aus dem Leben des Volkes schritt, das sie berührt und für immer gewandelt hatte.
    Er blickte ihr noch lange
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