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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein
Autoren: Margaret Allan
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Schweigen über die beiden Männer. Dann sagte Gebrochene Faust, ohne eine innere Regung zu verraten: »Ich werde dir zuhören.«
    Was er auch tat. Als Geist seine Erzählung beendet hatte, nickte Gebrochene Faust ein letztes Mal. Er schenkte den Worten des anderen wenig Glauben. Er hatte die Frau mit eigenen Augen gesehen und sie verfügte unmöglich über die Macht, die Geist ihr zusprach. Und doch fand er Gefallen an dem Plan des Schamanen, denn auch er, Faust, wollte Maya schließlich töten. Und das Beste von allem war, daß der feindliche Schamane selbst es für ihn erledigen würde - er würde sich die eigenen Hände nicht mit ihrem Blut besudeln.
    Er jubilierte vor Entzücken, seine Stimme jedoch war ruhig, als er antwortete: »Wir haben die Frau, von der du sprichst. Vielleicht ist sie besessen. Ich habe merkwürdige Dinge an ihr bemerkt. Vielleicht lasse ich dich am Leben, wenn du wirklich das tun kannst, wozu du behauptest, in der Lage zu sein.«
    Sein Blick wurde hart, als er weiter sprach. »Aber nur, wenn du sie vernichtest.« Er zuckte die Schultern. »Anderenfalls wirst du der erste sein, der den Hunger des Geistes der Lüfte stillt.«
    Geist nickte. Er hatte nichts anderes erwartet.
    In dieser Nacht hielt Karibu Maya ganz fest in seinen Armen. Draußen hatte das Dröhnen der Baumstammtrommeln eingesetzt, und schon stieg Rauch aus der Grube auf.
    »Hörst du die Trommeln, Maya?« flüsterte er.
    »Ja.« Ihre Stimme war sanft, so sanft. Sie hat ja keine Ahnung, dachte Karibu und erschauerte. Er erinnerte sich daran, wie er seiner schüchternen, vertrauensvollen Schwester die vergifteten Beeren gereicht hatte.
    »Faust bereitet alles für das Opfer vor.« Er schwieg, weil er nicht weiterreden wollte. Die Entscheidung, die er bald würde treffen müssen, schwebte drohend über seinem Haupt.
    Sie erwiderte nichts, kuschelte sich nur näher an ihn. S ie nahm eine seiner großen, schwieligen Hände und legte sie auf ihren warmen Bauch. Er bildete sich ein, die Bewegungen des Kindes spüren zu können.
    Er seufzte. »Faust hat mir aufgetragen, dich am Morgen zur Grube zu bringen. Ich glaube, er will dich dann dem Geist der Lüfte opfern.«
    Sie stellte die Frage, die er gefürchtet hatte. »Was wirst du tun, Karibu?«
    Er schloß die Augen. »Ich weiß es nicht.«
    Sie legte ihre kleine Hand über seine. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie.
    »Es wird alles gut werden.«
    Aber nein, nichts wird gut werden, dachte er. Was auch geschieht, es kann nie gut ausgehen.
    Als er zu schnarchen begann, wälzte Maya sich von ihm fort und legte sich auf den Rücken, blicklos ans Zeltdach starrend. Ganz langsam glitt ihre Hand zu dem Stein, der an ihrem Herzen ruhte. Als sie ihn berührte, verspürte sie einen winzigen Stich. Sie wußte, daß der Augenblick gekommen war.
    Der Augenblick der Wahl.
    Sie schloß die Augen und umfaßte den Mammutstein fester. Nach einer Weile beruhigte sich ihr Atem, und sie schlief ein.
    Sie träumte.
    Zunächst gab es nichts als Finsternis. Sie schritt durch eine Leere. Dann kam Licht, erst ein Funken, dann eine Flamme, dann ein Inferno.
    Sie schritt durch das Licht und fand sich auf einer weiten Ebene wieder.
    In der Ferne rammten mächtige Gipfel ihre grauen Felsschultern in den Himmel. Sie ging weiter, auch wenn sie jetzt große Furcht hatte. Hier gab es nichts, was ihr angst machen sollte, doch mit jedem Schritt lastete die Furcht drückender auf ihr.
    Es schien ihr, als sei sie schon tagelang gewandert, aber vielleicht war es auch nur eine kurze Weile. Die Zeit hier schien anderen Gesetzen zu gehorchen als in der Welt.
    Dann erblickte sie sie, einen kleinen Fleck, schwer auszumachen in der weiten grünen Ferne. Beim Näherkommen konnte sie die einzelnen Gestalten erkennen. Eine Frau stand in vorderster Reihe. Hinter ihr ragte eine gewaltige Mammutmutter auf. Neben der Frau Mutter Löwe. Maya erkannte die Löwin wieder und lächelte.
    Jetzt weiß ich, warum sie mich verschont hat, dachte sie.
    Auch eine massige Bisonmutter war da, die mit den Hufen aufs Gras stapfte, eine Karibumutter und viele andere. Zitternd trat Maya näher. Als sie nur noch wenige Schritte entfernt war, blieb sie stehen.
    Die Frau trat vor. Auch sie war Maya auf unerklärliche Weise vertraut. Es sind ihre Augen, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie sind wie meine, grün und blau.
    Graue Strähnen durchzogen das Haar der Frau, ihr Antlitz jedoch war das einer jungen Frau. Um ihren Hals hing an einem Lederriemen ein
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