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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein
Autoren: Margaret Allan
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furchteinflö ßend, daß selbst Karibu, mächtigster der Jäger des Bisonvolkes, es kaum über sich bringen konnte, auch nur daran zu denken.
    Statt dessen sagte er zu Maya: »Du erinnerst dich also an alles?«
    Sie nickte. In den Falten ihres Überwurfs ruhte der Mammutstein, nah an ihrem Herzen geborgen. Sie hatte Karibu nichts darüber erzählt und hatte auch nicht verlauten lassen, wie der Anblick des Steins einen Blitz der Erinnerung durch ihr vernebelten Gehirn hatte zucken lassen. Sie wußte, daß er es nicht verstehen würde. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie selbst es ganz verstand.
    Sie saß einfach da, eine schmächtige Frau, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen, und fragte sich, was sie tun sollte. Sie wünschte, den Stein nie wiedergefunden zu haben - die quälenden Erinnerungen, die er geweckt hatte, hatten sie in der vergangenen Nacht in ihren Träumen verfolgt.
    Nun erinnerte sie sich auch bei Tage an Blüte und Knospe; nicht nur an deren Tod, sondern auch an ihr Leben, daran, wie sie sie geliebt hatten.
    Sie erinnerte sich an Alten Zauber und an Alte Beere. Von den vieren war wohl nur noch Beere am Leben, doch Maya hatte Angst, die Gefangenen nach ihr zu fragen. Faust hatte eine Wache vor ihnen aufgestellt, und Karibu hatte Maya wissen lassen, daß es ihr untersagt sei, sich ihnen zu nähern.
    Und so blieb sie in ihrem Zelt, tief in Gedanken versunken, und kämpfte mit der Verantwortung, der sie ihr Leben lang zu entfliehen versucht hatte.
    »Du wirst das Volk des Mammuts retten«, hatte Alter Zauber sie wissen lassen. »Du bist die Große Mutter, die zu uns gekommen ist.«
    Ein Kind war sie damals gewesen, damals, vor Millionen von Jahren. Nun war sie eine Frau und mußte erkennen, daß es wohl unmöglich war, die Prophezeiung zu erfüllen. Karibu hatte ihr schließlich erzählt, was er bei seinem zweiten Besuch im Grünen Tal entdeckt hatte. »Ich glaube, daß alle ihre Männer hergekommen sind«, hatte er hinzugefügt. »Es sind nur noch ein paar von ihnen übrig, und die wird Faust gewiß töten.« Er hatte den Kopf mit dem langen, struppigen Haar geschüttelt und gesagt: »Dein Volk ist fast vernichtet, Maya. Der Gott der Schlangen ist allzeit hungrig.«
    Sie begriff nicht ganz, was er meinte, doch sie konnte es erahnen. Etwas Schreckliches, etwas Tödliches erwartete die letzten jenes Stammes, der sie ausgestoßen hatte, für den sie jedoch immer noch eine Verantwortung empfand, der sie sich nicht mehr entziehen konnte.
    Und Wolf. Sie erinnerte sich daran, wie er ihr kleine Geschenke und, wenn es ihm möglich gewesen war, Liebe und Zuneigung gegeben hatte.
    Nun kauerte er bei den anderen, denn Faust hatte befohlen, ihn loszubinden. Stein ebenso, doch der Mann, der einmal ihr Vater gewesen war, hatte tot in seinen Fesseln gehangen. Jemand hatte ihm mit einem Felsbrocken den Schädel zerschmettert.
    »Du wirst das Volk des Mammuts retten!« Das konnte man einem kleinen Mädchen, das nicht die geringste Ahnung hatte, was d er alte Schamane da redete, leicht erzählen. Aber was war nun zu tun?
    »Karibu«, sagte sie zärtlich, obwohl ihre Augen in einer weißglühenden Wildheit brannten, als sie sprach, und Karibu verspürte plötzlich und zum erstenmal einen Anflug von Furcht, »ich kann ihn nicht sterben lassen.«
    Sie preßte ihre Knie fest zusammen und suchte seinen Blick. Er sah nicht die geringste Schwäche, nicht die geringsten Zweifel auf ihrem Gesicht.
    »Ich werde ihn nicht sterben lassen.«
    Er seufzte. Sie war seine Frau. Die anderen kümmerten ihn nicht. Nur um sie ging es ihm - und um das Kind, das sie in ihrem Leib trug.
    »Nun gut, Maya«, sagte er schließlich. »Ich verstehe dich. Sie sind dein Volk. Doch du gehörst mir, und somit werde ich nicht zulassen, daß du stirbst.«
    Ihre Blicke trafen und hielten sich fest. Als er schließlich den Blick abwandte, von der Unerschrockenheit und Entschlossenheit in ihren Augen erschüttert, glaubte er fast daran, daß sie einen Weg fingen würde.
    Einen Weg für sie beide.
    Geist kreuzte die Arme vor d er Brust und stand nackt da, dem Schamanen des Bisonvolkes gegenüber. Gebrochene Faust, der alle Zeichen seiner Würde trug, starrte kalt zurück. Die beiden Männer waren allein in Fausts Geisterhaus - Geist hatte gewußt, daß er gerufen werden würde, und so war es auch geschehen, kurz nach Sonnenaufgang am zweiten Tage ihrer Gefangenschaft.
    »Du bist der Schamane des anderen Volks«, stellte Faust fest.
    Geist
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