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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe
Autoren: Andreas Franz
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SAMSTAG, 7. MÄRZ 2009
    Hans Schmidt war pünktlich am frühen Nachmittag in Hamburg gelandet. Er holte den für ihn reservierten BMW bei der Autovermietung ab und fuhr nach Kiel. Es war kalt, viel kälter als in Lissabon, die Temperatur lag kaum über null Grad, während es in Portugal in den letzten Tagen beinahe zwanzig Grad gewesen waren, nur die Nächte waren kühl, aber immer noch wärmer als die Tage hier in Norddeutschland.
    Der Verkehr war fließend, und er brauchte kaum eine Stunde, bis er sein Haus in dem vornehmen Kieler Stadtteil Düsternbrook erreichte.
    Es gab zwei Gründe, weshalb er nach Kiel gereist war: Der erste und offizielle betraf das Erstellen von Expertisen für ein paar sehr alte und vermutlich sehr wertvolle Handschriften, eine davon angeblich aus dem elften Jahrhundert, und zwei Bücher von Niccolò Machiavelli, 77 Principe und Discorsi, beide mit handschriftlichen Anmerkungen versehen. Woher der Klient die Bücher hatte, interessierte Schmidt nicht, obwohl es heutzutage fast unmöglich war, an solche nahezu unbezahlbare Originalausgaben zu gelangen, ohne kriminelle Wege zu beschreiten.
    Der zweite und hauptsächliche Grund war - er war gekommen, um zu töten.
    Nicht viel, und er hätte seine Lebensgefährtin Maria mitgebracht, aber sie war glücklicherweise unabkömmlich, die Handwerker wollten am Montag den neuen Kamin einsetzen, den Maria sich schon so lange gewünscht hatte, ein Wunsch, den er ihr nicht hatte abschlagen können. Dabei war es in Lissabon selten so kühl, dass man einen Kamin benötigte, aber sie hatte immer wieder betont, wie schön es doch aussehen würde, wenn ... Er hatte es sich ein paarmal geduldig angehört und ihr schließlich vorgeschlagen, ein Unternehmen damit zu beauftragen, was sie sich natürlich nicht zweimal sagen ließ. Vielleicht war es auch ganz gut so, dass sie in Lissabon geblieben war, denn die vor ihm liegende Mission erforderte seine vollste Konzentration, obwohl Maria ihn nicht gestört hätte, sie war eine zwar stets präsente, aber sich doch immer im Hintergrund haltende Frau, die keine unnötigen Fragen stellte. Sie fragte nicht, wohin er ging, wie lange er blieb, wann sie ihn zurückerwarten könne. Nichts von alledem, keine Klette wie viele oder die meisten anderen Frauen, die er im Laufe seines Lebens kennengelernt hatte. Sie war eine Perle, wie man sie nur unter Tausenden fand, schön, unprätentiös, fleißig, sie las ihm beinahe jeden Wunsch von den Augen ab, und manchmal war es ihm sogar unangenehm, wenn sie in seine Gedankenwelt einzutauchen schien, auch wenn dies eigentlich unmöglich war, denn wäre es ihr möglich gewesen, sie hätte Dinge erblickt, die sie nie hätte sehen wollen, die kaum ein Mensch hätte sehen wollen. Entweder hätte sie ihn oder sich längst umgebracht, oder sie wäre einfach gegangen, ohne ein Wort zu verlieren, denn sie war eine stolze und höchst verschwiegene Frau. Und sie war, neben einer anderen, die einzige Person, von der er meinte, sie sei ihm ebenbürtig, auch wenn sie zeitweise in zwei völlig verschiedenen Welten lebten. Sie war wie ein Hurrikan in sein Leben getreten, und das nur, weil er eine Haushälterin gesucht hatte. So stand sie mit einem Mal vor ihm, diese aparte, anfangs unnahbare Frau, die ihn von der ersten Sekunde an in ihren Bann gezogen hatte. Halblange, fast schwarze Haare, hellbrauner Teint, eine markante Stirn und noch markantere Wangenknochen, eine fast porenlose Haut und Augen, wie er sie noch bei keiner anderen Frau gesehen hatte, ein tiefes Blau, das einen beinahe unnatürlichen Kontrast zu den Braun- und Schwarztönen bildete. Zarte, fragile Hände und eine Figur, die in jedem Mann unweigerlich ein Feuer entfachen musste. Das Schönste an ihr war jedoch der Mund, diese feingeschwungenen, nicht zu vollen Lippen, die sich perfekt diesem ohnehin perfekten Gesicht anpassten. Er hatte sie gesehen und sich in sie verliebt, obwohl er nie vorgehabt hatte, sich jemals in eine Frau zu verlieben. Aber sie stand vor ihm, und er wusste, er würde nie wieder eine andere Frau ansehen, vorausgesetzt, Maria erwiderte seine Gefühle. Er hatte nie nach ihr gesucht, er hatte überhaupt nie nach einer Frau gesucht, sondern immer nur die sich ihm bietenden Gelegenheiten genutzt, doch in all den Jahren hatte es keine Frau gegeben, mit der er sein Leben hätte verbringen wollen. Vielleicht war es Bestimmung - oder weil er nie nach ihr gesucht hatte. Sein Motto lautete: Versuche nie, etwas zu
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