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Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Titel: Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht
Autoren: R Doyle
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und hielt sich daran fest, als Scarlett sich aufrichtete. Scarlett führte die Hände hinter den Rücken, ergriff vorsichtig die Beine ihrer Mutter und legte sie sich um die Seiten.
    »Oh mein Gott«, sagte Emer.
    »Alles klar bei dir, Mama?!«, sagte Scarlett.
    Mary lachte bei dem Anblick, wie ihre Mutter ihre Großmutter huckepack trug. Doch noch während sie lachte, fühlte sie sich traurig. Ihre Großmutter hatte so viel Gewicht verloren. Nur aus diesem Grund konnte ihre Mutter – Emers Tochter – sie tragen.
    »Stellt den Rollstuhl dort am Graben ab, da können wir ihn später wieder abholen.«
    Ihre Großmutter sollte nicht so leicht zu tragen sein. Es war merkwürdig und erschreckend. Aber komisch war es auch.
    »Hü-hott, Pferdchen«, sagte Emer zu Scarlett.
    Emers Beine standen nach vorne heraus wie die Griffe einer Schubkarre. Mary spürte, wie eine Hand die ihre berührte. Sie gehörte Tansey. Mary konnte sie trotz der starken Dunkelheit klar erkennen.
    Sie gingen weiter. Mary und Tansey bildeten die Vorhut, gefolgt von Scarlett mit Emer.
    »Das wäre dann die zweite Abbiegung.«
    »Du hast recht«, sagte Tansey. »Und wenn wir die Abbiegung ignorieren und weiter geradeaus gehen würden, kämen wir bei den Furlongs raus.«
    »Richtig. Jetzt fällt es mir wieder ein.«
    »Du hattest es nie wirklich vergessen.«
    Der Boden war schrecklich uneben, und Mary machte nur schlurfende Schritte, weil sie nie genau voraussehen konnte, wo ihre Füße landen würden. Aber sie hielt Tanseys Hand weiterhin fest, und das machte ihren Gang sicherer. Solange sie Tansey neben sich hatte, das wusste sie, war sie auf dem richtigen Weg.
    Der Pfad war beidseitig von hohen Hecken gesäumt. Emer hustete.
    »Alles klar bei dir, Emer?«, fragte Tansey.
    »Ich glaube, ich hab gerade ein Blatt verschluckt«, sagte sie.
    »Möchtest du eine Pause einlegen?«
    »Keineswegs«, sagte Emer. »Das ist großartig.«
    Noch während sie sprach, wurde eine der Hecken neben ihnen niedriger und sie konnten viel besser sehen.
    »Das untere Feld.«
    »Richtig.«
    »Genau da, wo wir es zurückgelassen haben.«
    Mary konnte den Zaun erkennen und das Feld dahinter und den Hügel, der hinunter zum …
    »Was ist das da unten?«
    »Das ist ein Teil vom Slaney.«
    »Dem Fluss?«
    »Dem Fluss.«
    »Cool.«
    Den Slaney kannte sie aus ihrem Geografiebuch. Er war einer der größten Flüsse Irlands und jetzt floss er direkt neben Mary her. Er floss an dem Hof vorbei, von dem ihre Großmutter und ihre Urgroßmutter stammten – und von dem, auf gewisse Weise, auch Mary kam.
    »Erstaunlich.«
    »Na ja, es ist bloß ein Fluss.«
    »Was wächst auf dem Feld?«
    »Nur Matsch, dem Anschein nach«, sagte Emer. Sie hustete erneut.
    »Was wächst in dem Matsch?«
    »Früher war es Gerste«, sagte Tansey.
    »Und es könnte immer noch Gerste sein.«
    »Da vorn kommt die dritte Abbiegung!«
    Sie waren an dem Feld vorbeigegangen, und jetzt wuchsen beiderseits wieder Hecken und Bäume, deren Zweige sich hoch über ihnen berührten, weshalb es wieder dunkler war, sogar noch dunkler als zuvor. Mary hörte das Klagen der gegeneinanderreibenden Äste im Wind. Sie war froh, nicht allein zu sein, obwohl sie dieses Geräusch mochte und schon immer gemocht hatte.
    »Früher dachten wir, dass die Leute, die gegangen waren, hoch oben in den Bäumen leben«, sagte Emer.
    »Du meinst die Verstorbenen?«, sagte Mary.
    »Genau die«, sagte Emer. »Das Geräusch der Blätter – das war ihr Flüstern und all so was.«
    »Warst du das?«, fragte Mary Tansey.
    »War ich was?«
    »Warst du oben in den Bäumen, als Oma noch ein Kind war?«
    »War ich nicht, Herzchen«, sagte Tansey. »Ich hatte was anderes zu tun, als in Bäumen herumzuhopsen.«
    »Ich hab ja nur gefragt«, sagte Mary.
    »Und ich habe nur geantwortet«, sagte Tansey. »Aber ich sag dir was. Die Geräusche passen trotzdem.«
    »Von den Blättern?«
    »Von den Blättern.«
    »Das ist hübsch.«
    »Kann man wohl sagen.«
    »Abbiegung Nummer vier!«, sagte Scarlett. »An die erinnere ich mich!«
    »Ab jetzt sind wir besser leise.«
    »Schläft Mama?«
    »Nein, tu ich nicht.«
    »Entschuldigung!«
    »Keine Ursache.«
    »Psssst!«
    Mary konnte die Kühe riechen. Es war kein alter oder entfernter Geruch, als stünden die Kühe weit weg auf einer Weide. Es war ein neuer, frischer Geruch, als wären die Kühe direkt neben …
    Sie schrie auf.
    Unmittelbar vor ihr hing ein Gesicht in der Luft.
    »Omeingott!«
    Es war ein riesiges
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