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Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Titel: Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht
Autoren: R Doyle
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Mutter den Blinker setzte und in den Rückspiegel blickte, als sie den Wagen von der Straße auf den holperigen Seitenstreifen steuerte.
    »Na gut!«, sagte ihre Mutter. »Wir müssen uns jetzt entscheiden! Noch eine Minute, dann sind wir da!«
    Sie hielt den Wagen an. Unmittelbar voraus konnten sie das Dorf erkennen.
    »Also!«, sagte Scarlett. »Bleiben wir oder hauen wir ab?«
    Sie drehte sich im selben Moment wie Mary zu ihrer Mutter und ihrer toten Großmutter um, sodass sie beinahe mit den Köpfen zusammenstießen. Tatsächlich aber berührten ihre Köpfe sich kaum, und alles, was Emer und Tansey sahen, waren zwei Gesichter, die sie durch die Lücke zwischen den Vordersitzen anstarrten.
    »Also«, sagte Mary. »Wie sieht’s aus?«

Sie beschlossen, zu Fuß zu gehen.
    Scarlett und Tansey waren es, die die Entscheidungen trafen. Sie würden zu Fuß gehen, denn auf diese Weise konnten sie das alte Haus und den Hof anschauen, ohne dass, wer auch immer im Haus schlief, von Scheinwerferlicht oder Motorenlärm geweckt würde.
    »Hervorragende Idee«, sagte Tansey.
    »Großartig!«
    »Es gibt nur ein Problem«, sagte Emer.
    »Die Windhunde?!«
    »Nein. Um die machen wir uns Gedanken, falls überhaupt welche auftauchen.«
    »Lass mich raten, Oma«, sagte Mary. »Es ist, weil es dir richtig schlecht geht.«
    »Oh!«, sagte Scarlett. »Daran hab ich gar nicht gedacht.«
    »Eigentlich«, sagte Mary, »warst du eine Ewigkeit im Krankenhaus. Stimmt doch irgendwie, Oma, oder?«
    »Kein Grund, ihr das unter die Nase zu reiben, Mary«, sagte ihre Mutter.
    »Gut«, sagte Mary. »Aber was schlägst du dann vor, wie wir das Oma-kann-nicht-laufen-Problem lösen?«
    »Ganz einfach«, sagte Scarlett. »Indem ich den Rollstuhl aus dem Kofferraum hole. Das sollte das Oma-kann-nicht-laufen-Problem lösen, würde ich sagen! Was meinst du, Mary?«
    »Da hat Scarlett recht, Herzchen«, sagte Emer zu Mary.
    »Den Rollstuhl hatte ich vergessen«, sagte Mary. »Tut mir leid, wenn ich unhöflich war.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Scarlett.
    Die ersten paar Minuten des Weges am Straßenrand entlang ins Dorf machten Spaß. Auf einer Seite standen Straßenlaternen, sodass sie alles deutlich sehen konnten. Der Straßenbelag war vor einigen Jahren erneuert worden. Es gab weder Schlaglöcher noch Risse im Asphalt. Mary schob den Rollstuhl und es war einfach. Sie mussten bloß gehen, schieben – und reden.
    »Die Kirche hat sich kein bisschen verändert.«
    »Nein.«
    »Aber sieh mal, der Laden dort. Wer ist dieser Spar-Kerl? Den gab’s früher nicht in dieser Gegend.«
    »So heißt die ganze Supermarktkette. Die gibt es überall. So was wie Woolworth’s, in etwa.«
    »Die Kneipe ist immer noch dieselbe.«
    »Stimmt.«
    »Ich war da nie drin.«
    »Ich genauso selten.«
    »Heutzutage lassen sie Frauen doch wohl in Kneipen rein, sollte man denken?«
    »In diesem speziellen Etablissement war ich zwar nie«, sagte Emer. »Aber in jeder Menge anderer Kneipen.«
    »Schön für dich.«
    Mary lauschte ihrer Großmutter und ihrer Urgroßmutter. Ihr gefiel, wie die beiden miteinander redeten, diese Art und Weise, wie die eine den Ball der anderen aufnahm. Sie blickte zu ihrer Mutter und konnte sehen, dass sie es ebenso genoss. So spazierten sie weiter, die beiden alten Frauen vorweg und die beiden jüngeren hinter ihnen drein, plaudernd und einander lauschend.
    Dann kamen sie an den Feldweg.
    Es war kaum mehr als eine Lücke in der Hecke, ein schmaler Pfad, der sich rasch in der Dunkelheit verlor. Kein glatter Straßenbelag mehr. Sie gingen über Kies und durch Matsch und kleinere Löcher, denen womöglich noch größere folgen würden. Die Straßenlampen lagen hinter ihnen und wurden vollends nutzlos, nachdem sie die erste Wegbiegung erreicht hatten.
    »Wie viele Abbiegungen sind es bis zum Hof, Emer?«
    »Sieben«, sagte Emer. »Jedenfalls, wenn keine hinzugekommen oder es weniger geworden sind.«
    »Ich würde sagen, es sind immer noch sieben«, sagte Tansey.
    »Ich kann nichts sehen!«
    »Das ist das Problem«, sagte Emer.
    Sie versuchte sich umzudrehen – um zu Mary aufschauen zu können.
    »Und, nimm’s mir nicht übel, Mary. Aber das ist ein ziemliches Gerumpel, seit wir die Straße verlassen haben. Und es gefällt mir kein bisschen.«
    »Tut mir leid.«
    »Also dann!«, sagte Scarlett.
    »Was?«
    Scarlett beugte sich zu ihrer Mutter hinab und drehte sich um. Emer begriff sofort, was von ihr erwartet wurde. Sie legte ihre Arme um Scarletts Hals
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