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Heidi

Heidi

Titel: Heidi
Autoren: Johanna Spyri
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Zum Öhi auf die Alm hinauf
    Es war an einem sonnigen Junitag, als Dete Heidi in aller Herrgottsfrühe aus den Federn scheuchte. „Steh auf, Kleine“, sagte sie. „Wir machen heute eine lange Reise.“
    „Wohin fahren wir denn?“, fragte Heidi gähnend. Sie schlug die Decke zurück und erhob sich widerwillig. „Ich bringe dich zu deinem Großvater in die Schweiz“, erwiderte Dete und reichte Heidi eine kurze Hose, ein Kleid, eine Bluse und zwei Röcke, die sie übereinander tragen sollte. „Ich habe in Frankfurt eine Arbeit gefunden. Dort kann ich ein Kind nicht brauchen.“

    Dete verstaute Heidis Sandalen in einem Wäschebündel, das halb zusammengeschnürt auf der Kommode lag, und wies sie an, ihren Wintermantel und die groben, schweren Bergschuhe anzuziehen.

    „Aber das ist doch viel zu warm“,
    jammerte Heidi.
    „Es geht nicht anders“, brummte Dete.

    „Wir können nicht auch noch einen schweren Koffer bis zur Alm hinaufschleppen.“ Sie flocht Heidis dunkle Haare zu Zöpfen, stopfte sie unter eine rote Zipfelmütze und betrachtete das Mädchen lächelnd. „Du siehst aus wie ein kleiner dicker Wichtel.“
    Heidi ließ sich auf einen Stuhl fallen und zog eine finstere Miene. Sie wollte nicht weg von hier, zu einem Großvater, den sie gar nicht kannte. Missmutig wartete sie, bis Dete sich ebenfalls angekleidet und das Wäschebündel gegriffen hatte.

    Dann ging es los.
    Zuerst fuhren sie mit dem Zug bis Meinfeld
    Von dort aus ging es
    mit der Kutsche weiter,
    die Dete und Heidi ins Dörfli hinaufbrachte.
    Anschließend mussten sie zu Fuß gehen.

    Sie liefen über Wiesen und Bäche und durch einen Wald den Berg hinauf.
    Der schmale Pfad wand sich um Bäume und Felsbrocken und wurde immer steiler. Unterwegs kamen Dete und Heidi an einigen Hütten vorbei, die am Wegrand lagen. Die Leute, die dort wohnten, blickten ihnen neugierig hinterher, und manche fragten auch, wohin sie wollten.
    „Ich bringe das Kind zum Öhi!“, rief Dete ihnen zu. Die Leute schüttelten nur die Köpfe, und schließlich sprach die junge Bärbel aus, was alle dachten: „Bist du noch recht bei Verstand, Dete?“, zeterte sie. „Das Kind kann unmöglich bei dem alten Griesgram dort oben bleiben. Mit seinem wilden Bart und den dichten grauen Augenbrauen sieht er grad zum Fürchten aus. Ohnehin will der Öhi mit keinem Menschen etwas zu schaffen haben. Wie soll er sich da um ein kleines
Mädchen kümmern? Wahrscheinlich wird er sie nicht einmal zur Schule schicken.“

    Dete wurde rot vor Scham.
    „Was soll ich denn tun?“, fragte sie trotzig.
    „Der Öhi ist Heidis Großvater.

    Er muss sich jetzt um das Kind kümmern, ob es ihm nun passt oder nicht.“ Sie fasste Heidi fest bei der Hand und zog sie eilig weiter.
    Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel und glühte wie eine Feuerkugel. Heidi schwitzte furchtbar, der grobe Kleiderstoff kratzte auf ihrer Haut und an ihren Fersen hatten sich schon Blasen gebildet.

    „Ich kann nicht so schnell“, stöhnte sie und entzog Dete ihre Hand.
    „Und ich muss rechtzeitig zurück in Meinfeld am Bahnhof sein“, entgegnete diese. „Der Zug nach Frankfurt wird dort wohl kaum auf mich warten.“

    Plötzlich ertönte ein schriller Pfiff.
    Heidi wirbelte herum.
    Sie bemerkte einen Jungen,
    der ebenfalls den Berg hinaufkletterte.
    Er trug eine saftige Weidenrute.
    Damit trieb er eine Ziegenherde
    vor sich her.
    Die Tiere meckerten laut.
    „Warte!“, rief Heidi. „Wer bist du?“

    Blitzschnell zog sie ihre Kleider und die schweren Schuhe aus und hüpfte im Unterhemd auf ihn zu.
    „Was fällt dir ein, die schönen neuen Sachen herumzuwerfen! “, schimpfte Dete. „Ich habe sie dir extra für dein Leben auf der Alm gekauft.“
    „Ich brauche sie nicht!“, rief Heidi fröhlich. „Sie sind mir viel zu warm.“
    Der Hütejunge grinste von einem Ohr zum anderen. „Wer bist du?“, fragte Heidi noch einmal.
    „Ich bin Peter“, erwiderte der Junge. „Und ich treibe meine Geißen die Alm hinauf. Dort finden sie viel grünes Gras und saftige Kräuter.“
    „Au fein!“, jubelte Heidi. „Ich komme mit dir.“

    „Nix da“, brummte Dete.
    „Zuerst gehen wir zum Öhi.
    Dann sehen wir weiter.“
    Sie sammelte Heidis Kleider auf
    und schritt hastig weiter den Weg entlang.
    Heidi hörte nicht auf sie,
    sondern hüpfte dem Geißenpeter hinterher.

    „Die Heidi kann ruhig mit mir laufen“, rief er der Dete zu. „Ich muss ohnehin beim Almöhi vorbei.“
    „Treibst du deine Ziegen
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