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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition)
Autoren: Susanna Kearsley
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abgetragenen Teppich auf dem alten Holzboden, der den Gesprächslärm dämpfte.
    Abgesehen von einer Gruppe alter Männer, die sich alle um einen Ecktisch drängten, war ich zu dieser Tageszeit der einzige Gast, der die freundliche Atmosphäre des Pubs genoß. Und von den beiden Personen, die die Bar bedienten, war nur eine eine Frau.
    Vivien Wells war groß und etwa in meinem Alter, sie hatte ein gesundes Aussehen, lange, honigblonde Haare, ehrliche blaue Augen und ein ungezwungenes Lächeln, bei dem sich Grübchen bildeten. Ich mochte sie auf Anhieb.
    Sie schob mir einen Gin Tonic über den Tresen, lehnte sich mit den Ellbogen auf das zerkratzte Holz und taxierte mich anerkennend mit schräggeneigtem Kopf.
    »Iain sagte, daß Sie hübsch seien«, bemerkte sie ohne Gehässigkeit, und ich wand mich unbehaglich auf meinem Barhocker.
    »Er sagte, Sie seien eine Enzyklopädie«, entgegnete ich.
    Sie lachte ehrlich amüsiert. »Was für ein Kompliment. Und wie gefällt Ihnen Greywethers?«
    Ich hob fragend eine Augenbraue. »Wie bitte?«
    »Ihr Haus«, erklärte sie. »So heißt es.«
    »Ich dachte, es hieße Braeside – Haus am Hügel. Das war doch jedenfalls der Name auf der Übertragungsurkunde?«
    »Ach, das war Eddies Erfindung«, klärte sie mich auf. »Eddie, der vorige Besitzer. Er dachte, daß es großartig klänge, trotz der unbestreitbaren Tatsache, daß wir hier weit und breit keinen richtigen Hügel haben. Nein, in meiner Kindheit hieß es einfach nur Greywethers, und so nennen es auch heute noch alle.«
    »Greywethers.« Ich sprach den Namen langsam aus und horchte seinem Klang nach. »Das klingt sehr romantisch.«
    »Ist aber in Wirklichkeit nicht sehr originell.« Vivien Wells lächelte mich an. »Das ist nur ein alter Name für die Sorte Steine, die man hier zum Bauen benutzte. Sandsteinblöcke, wissen Sie. Wie die von Stonehenge. Sie waren zu Hunderten über die Gegend verstreut, und Leute, die bauen wollten, nahmen sich einfach, was sie brauchten.«
    »Ach so.«
    »Sie hatten schon länger ein Auge auf das Haus geworfen, sagt Iain?«
    Ich nickte und fragte mich, wieviel er ihr wohl von meiner albernen Geschichte erzählt hatte. Nicht allzuviel, wettete ich und dachte an diese gleichmütigen, grauen Augen. Iain Sumner war mir nicht wie jemand vorgekommen, der Tratsch liebt.
    »Ich habe es vor einigen Jahren schon einmal gesehen und gleich Gefallen daran gefunden«, erklärte ich. »Ein Riesenglück, daß es jetzt zum Verkauf stand. Und zu einem Preis, den ich mir leisten konnte.« Beinahe leisten konnte, korrigierte ich mich im Stillen bei dem Gedanken an meine geplünderten Ersparnisse.
    »Na ja«, sagte Vivien achselzuckend und griff nach einem Glas, das sie mit geübtem Griff polierte, »es besteht keine große Nachfrage nach Häusern in dieser Gegend. Wir haben nur ein paar Bauernhöfe und ein halbes Dutzend Geschäfte – größtenteils leben heute Rentner hier. Ich fürchte, Sie werden sich nach London tödlich langweilen bei uns.«
    »London wird immer überbewertet«, antwortete ich, aber ich war sicher, daß Vivien Wells das bereits wußte. »Außerdem brauche ich die Ruhe für meine Arbeit.«
    »Natürlich.« Sie nahm ein anderes Glas und polierte weiter. »Sie sind Künstlerin, stimmt’s? Malen Sie?«
    »Aquarelle. Genaugenommen bin ich Illustratorin. Ich male Bilder für Bücher.«
    »Tatsächlich? Irgend etwas, das ich kennen könnte?«
    »Nur wenn Sie Kinderbücher lesen. Ich habe die Llandrah- Bücher mit Bridget Cooper gemacht, vor ein paar Jahren.«
    » Wirklich? Ich habe eine sechsjährige Nichte, die ganz begeistert ist von diesen Geschichten. Sieh an, sieh an.« Vivien hob beeindruckt die Augenbrauen. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich das herumerzähle, oder? Es würde einige der Einheimischen beruhigen.« Sie grinste. »Sie hatten schon Angst, daß Sie sich als eine von diesen modernen Bildhauerinnen herausstellen könnten. Sie wissen schon, große Klumpen aus verbogenem Metall und sowas.«
    Ich schüttelte lachend den Kopf. »Nein, ich habe nichts dagegen.«
    »Ich glaube nicht, daß sie … oh, entschuldigen Sie mich einen Moment.«
    Ein Ruf von der munteren Gruppe am Ecktisch hatte sie unterbrochen, und während sie die Männer bediente, nahm ich noch einen Schluck Gin Tonic und rutschte auf dem harten Barhocker aus Holz in eine etwas bequemere Position.
    Ich hatte die Nacht zuvor nicht gut geschlafen. Obwohl ich körperlich erschöpft war, war mein Gehör wach und
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