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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition)
Autoren: Susanna Kearsley
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»Ich weiß es wirklich nicht«, wiederholte ich. »Die letzten Tage waren irgendwie deprimierend, all der Regen, und alles stirbt und vergeht und  …« Ich verstummte. Ich konnte es nicht erklären. »Das war so ein schöner Garten«, sagte ich.
    Er schien mich zu verstehen. »Das wird er auch wieder werden«, sagte er. »Im nächsten Jahr. Das ist das Wunderbare an Gärten, sie kommen immer wieder.«
    »Du hast wohl recht.« Ich seufzte erneut. »Aber ich wünschte trotzdem, sie würden nicht sterben.«
    Er schwieg einen Moment und sah mit nachdenklicher Miene auf seine Füße, trat dann leicht gegen einen losen Erdbrocken und drehte ihn mit seiner Stiefelspitze herum, um die Unterseite mit ihrem Gewirr von Wurzeln bloßzulegen.
    »Es ist alles noch da, siehst du«, bemerkte er. »Knollen und Wurzeln, die nur darauf warten, wieder zu sprießen und zu wachsen. Du darfst nicht nur mit den Augen sehen, Julia.« Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und blies den Rauch langsam aus. »Versuch statt dessen, mit der Seele zu sehen. Die Seele sieht, worauf es wirklich ankommt.«
    Eine ganze Minute lang stand alles still. Dann hob er den Kopf, und seine Augen begegneten meinen über die Ruhe des toten Gartens hinweg. Über die Jahrhunderte hinweg. Hinter uns im Haus begann das Telefon zu läuten, aber ich machte keine Anstalten, ranzugehen. Ich starrte ihn nur weiter wortlos an, und das Herz schlug mir bis zum Hals.
    »Konntest du es denn nicht sehen?« fragte er sanft. »Mein Gott, ich glaubte, es wäre so offensichtlich. Freda mußte mir ein- oder zweimal mit Gewalt drohen, damit ich den Mund hielt.«
    Die Worte kamen nur mühsam aus mir heraus. »Sie wußte es?«
    »Oh ja. Sie wußte es sofort, als Geoff mich das erste Mal aus Cambridge mit nach Hause brachte. Dieser Sommer war eine verdammt schlimme Zeit für mich. Ich dachte, ich würde verrückt werden … aber«, er lächelte ein wenig und blies Rauch aus, »du weißt ja, wie das ist.«
    »Ja.«
    Wir hätten auch über das Wetter sprechen können. Er hatte mich nicht berührt – er sah aus wie derselbe alte Iain, breitschultrig gegen die Wand des Taubenschlags gelehnt, während die untergehende Sonne sein Haar kupferrot färbte und die eigensinnige Linie seines Kinns beleuchtete. Ruhig hob er die Zigarette an den Mund. »Später bin ich nach Paris gegangen und habe für Morland gearbeitet«, fuhr er fort. »Ich war neugierig zu erfahren, was Richard in Paris getan hat, während seines Exils. Ich hatte dort ein paar kleine Abenteuer, aber was ich wirklich empfand, war Einsamkeit, und du warst natürlich nicht da.«
    »Also bist du zurückgekommen.« Ich flüsterte die Worte beinahe.
    »Ja. Ich kaufte das Cottage, richtete mich ein und wartete darauf, daß du auftauchtest. Ich wußte, daß du kommen würdest.«
    Sein Blick streifte mich, eine flüchtige Berührung, und wanderte dann weiter zu der Stelle, wo die Eiche in der Senke im Schatten stand. Das vergessene Telefon gab ein letztes, ersterbendes Läuten von sich, das langsam in der Stille verklang. Ich achtete kaum darauf.
    »Warum hast du nichts gesagt?« fragte ich ihn.
    »Ich wollte ja.« Diesmal blickten seine grauen Augen nicht zur Seite. »Glaub mir, ich wollte es. Ich bin durch die Hölle gegangen diesen Sommer. Aber Freda sagte, du würdest es schon rechtzeitig herausfinden, ich müsse nur warten.«
    »Iain …«
    »Normalerweise«, fuhr er gelassen fort, »bin ich ein geduldiger Mensch. Aber ich glaube, ich habe jetzt lange genug gewartet.« Er schnippte die Zigarette fort und kam mit ruhigem, entschlossenem Schritt auf mich zu. »Höchste Zeit, daß wir beide mit Warten aufhören und beginnen, unser Leben zu leben.«
    Der Tonfall, die Haltung waren für einen kurzen Augenblick die von Richard, aber es war Iain, der auf mich zukam, Iain, der vor mir stand und dessen breite Schultern das letzte Sonnenlicht verdeckten. Wie hatte ich nur so blind sein können, fragte ich mich, warum hatte ich es nicht längst erkannt? Alles, was ich wollte, alles, was ich je gewesen war oder zu sein hoffte, lag dort in diesen ruhigen, grauen Augen.
    Einen endlosen, schmerzlichen Moment lang stand er einfach da und sah zu mir herab, schweigend und ernst. Und in meinen Augen konnte er seine Antwort erkennen, denn er lächelte schließlich, nahm mein Gesicht zwischen seine starken Hände und fuhr mit einer zärtlichen Berührung meine Wangenknochen nach.
    »Das sind deine schönen Tage, Julia Beckett«, versprach er
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