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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary
Autoren: Woelffe
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Lisle
gekümmert.« Um den Fluss Humber gekümmert. Um den verleumderischen Priester von
Mary Woolchurch; also nicht direkt gekümmert, aber auf den Stapel mit noch zu
erledigenden Angelegenheiten getan. Er lacht. »Weißt du, was ich brauche? Ich
brauche die Gedächtnismaschine.«
    Giulio hat Paris verlassen,
heißt es. Er ist überstürzt nach Italien zurückgekehrt und hat die Vorrichtung
halb fertig zurückgelassen. Es heißt, dass er vor seiner Flucht einige Wochen
lang weder gesprochen noch gegessen hat. Leute, die ihm wohlgesonnen sind,
sagen, dass er verrückt geworden ist, weil ihn die Fähigkeiten seiner eigenen
Kreatur in Schrecken versetzt haben: Er ist in den Abgrund des Göttlichen gefallen.
Leute, die ihm übel gesonnen sind, behaupten, dass Dämonen aus den Ritzen und
Spalten der Vorrichtung gekrochen sind und ihn so in Panik versetzt haben, dass
er mitten in der Nacht im Hemd weggelaufen ist, ohne auch nur etwas Brot und
ein Stück Käse für die Reise mitzunehmen, dass er all seine Bücher
zurückgelassen hat und seine Zauberergewänder.
    Es ist nicht unmöglich, dass
Giulio Aufzeichnungen in Frankreich zurückgelassen hat. Gegen eine gewisse
Summe könnte man sie vielleicht erwerben. Es ist nicht unmöglich, ihn nach
Italien verfolgen zu lassen; aber würde das irgendeinen Sinn haben? Es ist
wahrscheinlich, denkt er, dass wir nie erfahren werden, worum es sich bei
seiner Erfindung eigentlich gehandelt hat. Eine Druckerpresse, die ihre
eigenen Bücher schreiben kann? Ein Geist, der über sich selbst nachdenkt? Aber
wenn ich sie nicht habe, hat der König von Frankreich sie wenigstens auch
nicht.
    Er greift nach seiner Feder.
Er gähnt und legt sie hin und nimmt sie wieder in die Hand. Ich werde tot an
meinem Schreibtisch gefunden werden, denkt er, wie der Dichter Petrarca. Der
Dichter schrieb viele Briefe, die nie abgeschickt wurden: Er schrieb an Cicero,
der zwölfhundert Jahre vor seiner eigenen Geburt gestorben war. Er schrieb an
Homer, der möglicherweise nie existiert hat; aber ich, ich habe genug zu tun
mit Lord Lisle und den Fischfallen und den Galeonen des Kaisers, die im
Mittelmeer schaukeln. Zwischen einem Eintauchen der Feder, schreibt Petrarca,
zwischen einem Eintauchen und dem nächsten verrinnt die Zeit: wie ich selbst
dabei verrinne, fortgehe, mich mindere und, um es geradewegs zu sagen, sterbe.
Beständig sterben wir, ich, der ich dies schreibe, du, während du dies liest,
andere, während sie zuhören oder nicht zuhören - alle sterben wir.
    Er ergreift den nächsten
Stapel Briefe. Ein Mann namens Batcock bittet um eine Importgenehmigung für
hundert Tonnen Färberwaid. Harry Percy ist wieder krank. Die Behörden in
Yorkshire haben die Aufrührer zusammengetrieben und aufgeteilt in solche, die
des Landfriedensbruchs und des Totschlags beschuldigt werden, und solche, die
wegen Mord und Vergewaltigung angeklagt werden sollen. Vergewaltigung? Seit
wann gehören Vergewaltigungen zu Hungerrevolten? Ach so, das hatte ich ganz
vergessen: Es ist Yorkshire.
    »Rafe, bring mir die
Reiseroute des Königs. Ich überprüfe sie, und dann bin ich hier fertig. Ich
meine, wir sollten noch etwas Musik hören, bevor wir zu Bett gehen.«
    Der Hof reitet diesen Sommer
nach Westen, bis nach Bristol. Der König ist zum Aufbruch bereit, trotz des
Regens. Sie werden in Windsor aufbrechen, dann nach Reading, Missenden,
Abingdon; sie werden durch Oxfordshire reisen, wobei sich ihre Stimmung heben
wird, je weiter sie von London entfernt sind - wie wir hoffen; er sagt zu Rafe:
Wenn die Landluft zu Werke geht, wird die Königin mit dickem Bauch
zurückkehren. Rafe sagt: Ich frage mich, wie es der König aushält, jedes Mal
wieder zu hoffen. Einen geringeren Mann würde das zermürben.
    »Wenn wir London am
achtzehnten verlassen, können wir versuchen, sie in Sudely einzuholen. Wird
das klappen?«
    »Besser ist es, einen Tag
früher aufzubrechen. Bedenken Sie den Zustand der Straßen.«
    »Es gibt keine Abkürzungen,
oder?« Er wird keine Furten benutzen, sondern Brücken, und gegen seine Neigung
wird er sich an die Hauptstraßen halten; bessere Karten wären eine große
Hilfe. Schon zu der Zeit des Kardinals hatte er überlegt: Ist das ein Projekt,
das wir in Angriff nehmen könnten? Es gibt Karten, so etwas wie Karten: die
Felder dieser Karten sind mit Burgen geschmückt, die Zinnen hübsch koloriert,
ihre Jagdreviere und Parks durch Reihen von buschigen Bäumen markiert und mit
Zeichnungen von Hirschen und
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