Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary
Autoren: Woelffe
Vom Netzwerk:
ab,
in Gottes Namen, wo seid ihr alle?«
    Er zittert von Kopf bis Fuß,
genau wie Bella, als sie damals vom Boot gefallen ist.
    Ein Mädchen kommt gerannt. »Der
Herr ist in die Stadt gegangen.«
    »Das weiß ich, Dummkopf.« Beim
Anblick ihres Bruders hatte sie es vergessen. Sie drückt dem Mädchen das
Tablett mit den Pasteten in die Hand. »Wenn du sie irgendwo hinstellst, wo die
Katze rankommt, kriegst du Ohrfeigen, bis du Sterne siehst.« Als  sie die Hände
frei hat, faltet sie sie kurz zu einem heftigen Gebet. »Hast du dich wieder geprügelt,
oder war es dein Vater?«
    Ja, sagt er und nickt dabei so
heftig, dass Blutstropfen aus seiner Nase schießen. Ja, er zeigt auf sich
selbst, als wolle er sagen: Walter war hier. Kat ruft nach einer Schüssel, nach
Wasser, nach Wasser in einer Schüssel, nach einem Lappen, nach dem Teufel, der
sofort kommen und seinen Diener Walter holen soll. »Setz dich hin, bevor du
hinfällst.« Er versucht zu erklären, dass er gerade aufgestanden ist. Weg vom
Hof. Es kann eine Stunde her sein, es kann auch einen Tag her sein, und soviel
er weiß, könnte heute auch morgen sein; aber wenn er einen Tag dort gelegen
hätte, wäre Walter sicher gekommen und hätte ihn umgebracht, weil er im Weg
gewesen wäre. Oder es hätte sich etwas Schorf auf seinen Wunden gebildet und
inzwischen hätte er überall Schmerzen und wäre fast zu steif, um sich zu
bewegen; aus eingehender Bekanntschaft mit Walters Fäusten und Stiefeln weiß
er, dass der zweite Tag schlimmer sein kann als der erste. »Setz dich. Sprich
nicht«, sagt Kat.
    Als  die Schüssel kommt, beugt
sie sich über ihn und macht sich an die Arbeit, betupft sein geschlossenes
Auge, bearbeitet in kleinen Kreisen seinen Haaransatz. Sie atmet stoßweise und
ihre freie Hand liegt auf seiner Schulter. Leise flucht sie vor sich hin, ab
und zu schluchzt sie auf, reibt seinen Nacken und flüstert dabei: »Schon gut,
ganz ruhig, schon gut«, als wäre er es, der weint, obwohl er es nicht tut. Er
hat das Gefühl zu schweben und sie brächte ihn auf die Erde zurück; er würde
gerne seine Arme um sie legen und sein Gesicht in ihre Schürze und sich dort
ausruhen, während er auf ihren Herzschlag lauschte. Aber er will sie nicht schmutzig
machen, sie überall mit Blut beschmieren.
    Als  Morgan Williams
zurückkommt, trägt er seinen guten Stadtrock. Er sieht walisisch und
kämpferisch aus; es ist offensichtlich, dass er schon weiß, was passiert ist.
Er stellt sich neben Kat, sieht auf ihn hinab, einen Augenblick sprachlos, und
sagt dann: »Sieh her!« Er macht eine Faust und stößt sie dreimal in die Luft.
»Das!«, sagt er. »Das würde er bekommen. Walter. Das würde er bekommen. Von
mir.«
    »Tritt einen Schritt zurück«,
rät ihm Kat. »Oder willst du Teile von Thomas auf deine Londonjacke kriegen?«
    Das will er nicht. Er weicht
zurück. »Mir ist das egal, aber sieh dich mal an, Junge. In einem ehrlichen
Kampf könntest du dieses Tier zum Krüppel machen.«
    »Es ist aber kein ehrlicher
Kampf«, sagt Kat. »Er schleicht sich nämlich von hinten an, stimmt's, Thomas?
Und hat etwas in der Hand.«
    »Sieht in diesem Fall nach
einer Glasflasche aus«, sagt Morgan Williams. »War es eine Flasche?«
    Er schüttelt den Kopf. Seine
Nase blutet wieder.
    »Tu das nicht, Bruder«, sagt
Kat. Ihre ganze Hand ist voller Blut; sie wischt es an ihrer Schürze ab. Was
für eine Schweinerei, er hätte ebenso gut seinen Kopf hineinlegen können.
    »Ich vermute, du hast es nicht
gesehen?«, sagt Morgan. »Was genau er in der Hand hatte?«
    »Das ist der Witz dabei, sich
von hinten anzuschleichen«, sagt Kat. »An dir ist wirklich ein Friedensrichter
verloren gegangen. Hör zu, Morgan, soll ich dir was über meinen Vater erzählen?
Er greift sich, was immer gerade herumliegt. Manchmal ist es eine Flasche, das
stimmt. Ich habe gesehen, wie er meine Mutter damit geschlagen hat. Sogar unsere
kleine Bet, ich habe gesehen, wie er ihr eine Flasche über den Kopf gezogen
hat. Aber ich habe es auch mal nicht gesehen, wenn er es tat, und das war schlimmer, weil
ich nämlich diejenige war, die umgehauen werden sollte.«
    »Ich frage mich, wo ich da
eingeheiratet habe«, sagt Morgan Williams.
    Aber das ist nur Gerede von
Morgan; manche Männer schniefen ständig, manche Frauen haben Kopfweh, und
Morgan muss sich immer diese Fragen stellen. Der Junge hört nicht auf ihn; er
denkt, wenn mein Vater das mit meiner Mutter gemacht hat, die schon so lange
tot ist, hat er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher