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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary
Autoren: Woelffe
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Griff eines körperlichen Aufruhrs;
er schreit auf, schaudert von Kopf bis Fuß. Seine Hand schlägt schwach auf die
saubere Tischplatte; und als er ihn verlässt — »Martin, gehen Sie hinein, geben
Sie ihm etwas Wein« - schreit More immer noch, schaudert, schlägt auf den
Tisch.
    Das nächste Mal wird er ihn in
Westminster Hall sehen.
    Am Tag des Prozesses treten Flüsse über ihre Ufer; selbst
die Themse steigt und brodelt wie ein Fluss in der Hölle und spült ihr Treibgut
über die Kais.
    England gegen Rom, sagt er.
Die Lebenden gegen die Toten.
    Norfolk wird den Vorsitz
haben. Er sagt ihm, wie es ablaufen wird. Die ersten Punkte der Anklage werden
niedergeschlagen: Sie betreffen verschiedene zu verschiedenen Zeiten
gesprochene Worte über das Gesetz und den Eid und Mores verräterische
Verschwörung mit Fisher-Briefe gingen zwischen den beiden hin und her, aber
offenbar sind diese Briefe inzwischen vernichtet worden. »Dann werden wir zum
vierten Punkt die Aussage des zweiten Kronanwalts hören. Nun, Euer Gnaden, das
wird More ablenken, denn er kann den jungen Riehe nicht ansehen, ohne sich in
heftige Erregung wegen seiner Verworfenheit als Junge hineinzusteigern ...«
Der Herzog zieht eine Augenbraue hoch. »Trinken. Prügeln. Frauen. Würfel.«
    Norfolk reibt sich das
stoppelige Kinn. »Mir ist aufgefallen, dass sich diese weichlich wirkenden
Jünglinge wie er immer prügeln. Um sich zu beweisen, verstehen Sie? Während
hartgesottene alte Schläger wie wir in unserer Rüstung geboren werden und uns
nie beweisen müssen.«
    »Genau«, sagt er. »Wir sind
die friedfertigsten aller Männer. Mylord, bitte passen Sie jetzt auf. Wir
wollen nicht noch so einen Fehler wie bei Dacre. Wir würden ihn kaum überleben.
Die ersten Anklagepunkte werden niedergeschlagen. Beim nächsten werden die
Geschworenen aufmerken. Und ich habe Ihnen eine beachtliche Jury
zusammengestellt.«
    More wird seinesgleichen
gegenüberstehen; Londonern, Kaufleuten der Gilden. Es sind erfahrene Männer mit
allen Vorurteilen der City. Wie alle Londoner haben Sie reichlich Bekanntschaft
mit der Habgier und Arroganz der Kirche gemacht, und es gefällt ihnen nicht,
gesagt zu bekommen, es stehe ihnen nicht an, die Bibel in ihrer eigenen Sprache
zu lesen. Es sind Männer, die More kennen, und das seit zwanzig Jahren. Sie
wissen, wie er Lucy Peryt zur Witwe gemacht hat. Sie wissen, wie er Humphrey
Monmouths Geschäft ruiniert hat, weil Tyndale in seinem Haus zu Gast war. Sie
wissen, dass er Spione in ihren Haushalten auf sie angesetzt hat, sie sind
unter ihren Lehrlingen zu finden, die sie wie Söhne behandeln, und unter ihren
Dienstboten, die so eng mit der Familie verbunden sind, dass sie jeden Abend
das Nachtgebet ihres Herrn hören.
    Ein Name lässt Audley zögern:
»John Parnell? Das könnte falsch aufgefasst werden. Sie wissen, dass er hinter
More her ist, seit dieser im Kanzleigericht über ihn geurteilt hat...«
    »Ich kenne den Fall. More hat
ihn verpfuscht, er hat die Papiere nicht gelesen, weil er unbedingt einen
Liebesbrief an Erasmus schreiben oder eine arme christliche Seele in seinen
Stock in Chelsea legen musste. Was wollen Sie, Audley, wollen Sie, dass ich
nach Wales gehe, um Geschworene auszuwählen, oder nach Cumberland oder sonstwohin,
wo sie eine bessere Meinung von More haben? Ich muss mich mit Männern aus
London begnügen, und wenn ich keine Jury von Neugeborenen einschwöre, kann ich
ihre Erinnerungen auch nicht auslöschen.«
    Audley schüttelt den Kopf. »Ich
weiß nicht, Cromwell.«
    »Oh, er ist ein schlauer
Hund«, sagt der Herzog. »Als  Wolsey stürzte, sagte ich: Behaltet ihn im Auge,
er ist ein schlauer Hund. Man muss sehr früh aufstehen, will man ihm voraus
sein.«
     
    Am Abend vor dem Prozess geht
er in Austin Friars seine Papiere durch, als sich ein Kopf durch die Tür
schiebt: ein kleiner, schmaler Londoner Kopf mit einem kurzgeschorenen Schädel
und einem verletzlichen jungen Gesicht. »Dick Purser. Komm herein.«
    Dick Purser sieht sich im Raum
um. Er kümmert sich um die knurrenden Bullenbeißer, die das Haus bei Nacht
bewachen, und er war noch nie in diesem Zimmer. »Komm her und setz dich. Hab
keine Angst.« Er gießt ihm etwas Wein in ein dünnes venezianisches Glas, das
dem Kardinal gehörte. »Probier mal. Wiltshire hat ihn mir geschickt, aber ich
persönlich finde ihn nicht so gut.«
    Dick nimmt das Glas und
hantiert gefährlich damit herum. Die Flüssigkeit ist blass wie Stroh oder
Sommerlicht. Er
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