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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary
Autoren: Woelffe
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aufgeschrieben.«
    »Spielen Sie es mit mir
durch.« Er setzt sich. »Ich bin More. Sie sind Riehe.« Riehe starrt ihn an.
»Soll ich den Fensterladen schließen? Ist es besser, wenn es sich im Dunkeln
abspielt?«
    »Ich konnte ihn nicht
zurücklassen«, sagt Riehe zögernd, »ohne noch einmal zu versuchen ...«
    »Richtig. Sie müssen Ihren Weg
machen. Aber warum wollte er mit Ihnen sprechen, wenn er nicht mit mir sprechen
wollte?«
    »Weil er mich gar nicht
wahrnimmt. Er glaubt, ich zähle nicht.«
    »Und dabei sind Sie zweiter
Kronanwalt«, sagt er spöttisch.
    »Wir haben also hypothetische
Fälle durchgespielt.«
    »Was, als säßen Sie nach dem
Essen in Lincolns Inn zusammen?«
    »Um die Wahrheit zu sagen, ich
hatte Mitleid mit ihm, Sir. Er sehnt sich nach Gesprächen, und Sie wissen, wie
er drauflosplappert. Ich sagte, angenommen, das Parlament würde ein Gesetz
verabschieden, das besagt, ich, Richard Riehe, soll König sein. Würden Sie mich
nicht für den König halten? Und er hat gelacht.«
    »Nun, Sie müssen zugeben, dass
es nicht sehr wahrscheinlich ist.«
    »Deshalb habe ich ihn
gedrängt; er sagte: Ja, majestätischer Richard, dafür halte ich Sie, denn das
Parlament kann das, und angesichts der Dinge, die es bereits getan hat, wäre
ich gar nicht verwundert, wenn ich eines Morgens unter der Herrschaft von König
Cromwell aufwachen würde. Wenn ein Schneider König von Jerusalem werden kann,
kann vermutlich auch ein Junge aus der Schmiede König von England werden.«
    Riehe hält inne: Hat er ihn
beleidigt? Er strahlt ihn an. »Wenn ich erst König Cromwell bin, sollen Sie Herzog
werden. Nun zur Sache, Purse ... oder gibt es keine?«
    »More sagte: Nun gut, Sie
haben einen Fall vorgetragen, ich lege Ihnen einen höheren Fall vor.
Angenommen, das Parlament würde ein Gesetz verabschieden, das besagt, dass
Gott nicht Gott sein soll. Ich erwiderte, es hätte keine Gültigkeit, denn das
Parlament hat nicht die Befugnis dazu. Dann sagte er: Jawohl, junger Mann,
wenigstens können Sie eine Absurdität erkennen. Und dann brach er ab und warf
mir einen Blick zu, als wolle er sagen, dass wir uns jetzt mit der wirklichen
Welt befassen sollten. Ich sagte zu ihm: Ich lege Ihnen einen mittleren Fall
vor. Sie wissen, dass unser Herr, der König, vom Parlament zum Oberhaupt der
Kirche ernannt wurde. Warum gehen Sie mit der Abstimmung nicht konform, wie Sie
es tun, wenn ich zum Monarchen gemacht werde? Und er sagte, als würde er ein
Kind belehren: Die Fälle gleichen sich nicht. Denn der eine unterliegt der
weltlichen Gerichtsbarkeit, und die kann das Parlament ausüben. Der andere
unterliegt der geistlichen Gerichtsbarkeit, und die kann das Parlament nicht
ausüben, denn diese Gerichtsbarkeit befindet sich außerhalb dieses
Königreiches.«
    Er starrt Riehe an. »Man kann
ihn als Papisten hängen«, sagt er.
    »Ja, Sir.«
    »Wir wissen, dass er das
denkt. Er hat es nur niemals ausgesprochen.«
    »Er sagte, dass ein höheres
Gesetz dieses und alle Königreiche regiere, und wenn das Parlament Gottes
Gesetz übertrete ...«
    »Das Gesetz des Papstes, meint
er - denn er hält beide für ein und dasselbe, und das kann er nicht bestreiten,
richtig? Warum prüft er ständig sein Gewissen, wenn nicht, um Tag und Nacht zu
kontrollieren, ob es sich im Einklang mit der römischen Kirche befindet? Das
ist sein Trost, das ist seine Richtschnur. Mir stellt es sich so dar: Wenn er
dem Parlament offen die Zuständigkeit abspricht, spricht er dem König seinen
Titel ab. Was Verrat ist. Und doch«, er zuckt mit den Achseln, »wie weit trägt
das? Können wir beweisen, dass die Nichtanerkennung böswillig war? Ich nehme
an, dass er sagen wird: Das war doch nur Gerede, ein Zeitvertreib. Dass Sie
Fälle durchgespielt haben und dass die Aussagen, die dabei gemacht wurden,
nicht gegen einen Mann verwendet werden können.«
    »Die Geschworenen würden das
nicht verstehen. Sie werden ihn beim Wort nehmen. Schließlich wusste er, Sir,
dass es keine studentische Debatte war.«
    »Das ist richtig. Die werden
nicht im Tower geführt.«
    Riehe reicht ihm das
Memorandum. »Ich habe es so getreu wie möglich aus der Erinnerung
aufgeschrieben.«
    »Sie haben keinen Zeugen?«
    »Die Leute gingen raus und
rein und packten die Bücher in eine Kiste. Er hatte eine Menge Bücher. Sie
können mir keine Sorglosigkeit vorwerfen, Sir, denn wie konnte ich wissen, dass
er überhaupt mit mir sprechen würde?«
    »Ich mache Ihnen keinen
Vorwurf.« Er seufzt.
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