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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary
Autoren: Woelffe
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ist, wegen Verrats angeklagt; er
wurde beschuldigt, mit den Schotten gemeinsame Sache zu machen. Hinter dieser
Anschuldigung stand die Familie Clifford, Dacres Erbfeinde und Rivalen, hinter
denen die Boleyns standen, denn Dacre hatte aus seiner Unterstützung für die
frühere Königin keinen Hehl gemacht. Die Bühne war in Westminster Hall
bereitet, Norfolk saß dem Gericht als High Steward des Königreichs vor: Und Dacre sollte von zwanzig
anderen Lords gerichtet werden, wie es sein Recht war. Und dann ... wurden
Fehler gemacht. Möglicherweise war das Ganze eine Fehleinschätzung, eine
Geschichte, die zu schnell und zu energisch von den Boleyns vorangetrieben
worden war. Möglicherweise war es ein Fehler von ihm gewesen, die Anklage nicht
persönlich zu vertreten; er hatte gedacht, es wäre besser, im Hintergrund zu
bleiben, denn er ist vielen adligen Männern ein Dorn im Auge, weil er ist, wer
er ist, und sie würden sogar Risiken eingehen, um ihm Unannehmlichkeiten zu
bereiten. Oder Norfolk war das Problem, weil er die Kontrolle über das Gericht
verlor ... Was auch immer, die Anklage wurde niedergeschlagen, was beim König
Erstaunen und einen Wutanfall auslöste. Dacre wurde von den königlichen Wachen
direkt in den Tower zurückgebracht, und er selbst wurde geschickt, um eine
Vereinbarung mit ihm zu treffen, die, wie er wusste, mit Dacres Ruin enden
sollte. Beim Prozess hatte Dacres Verteidigungsrede sieben Stunden lang
gedauert; aber er, Cromwell, kann eine Woche lang reden. Dacre hatte die
Nichtanzeige von Hochverrat zugegeben, eine geringere Straftat. Er kaufte eine
königliche Begnadigung für £ 10 000. Er wurde entlassen und kehrte als armer
Mann in den Norden zurück.
    Aber die Königin war krank vor
Enttäuschung; sie wollte ein Exempel statuiert sehen. Und in Frankreich läuft
es auch nicht zu ihrer Zufriedenheit; einige Leute sagen, dass Francois
kichert, wenn ihr Name erwähnt wird. Sie hat den Verdacht und liegt damit
richtig, dass ihr Diener Cromwell mehr an der Freundschaft der deutschen
Fürsten interessiert ist als an einem Bündnis mit Frankreich; aber sie muss
die richtige Zeit wählen, um diesen Streit auszufechten, und sie sagt, sie hat
keinen Frieden, bis Fisher tot ist, bis More tot ist. Jetzt rennt sie im Kreis
durch den Raum, aufgeregt, alles andere als königlich, und immer wieder steuert
sie auf Henry zu, berührt seinen Ärmel, berührt seine Hand, und er verscheucht
sie jedes Mal, als wäre sie eine Fliege. Er, Cromwell, sieht zu. Sie sind nie
dasselbe Paar, sind jeden Tag anders: manchmal ineinander vernarrt, manchmal
kühl und distanziert. Das Schnäbeln und Gurren ist alles in allem der
quälendere Anblick.
    »Fisher macht mir keine
Sorge«, sagt er, »sein Vergehen ist eindeutig. In Mores Fall ... moralisch ist
unsere Sache unanfechtbar. Keiner hat Zweifel an seiner Treue zu Rom und an
seinem Hass auf den Titel Eurer Majestät als Oberhaupt der Kirche. Juristisch
jedoch ist unser Fall schwach, und More wird jedes gesetzliche, jedes
verfahrensrechtliche Mittel anwenden, das ihm zur Verfügung steht. Das wird
nicht einfach werden.«
    Henry erwacht zum Leben. »Habe
ich Sie in meinem Dienst, damit Sie sich um die einfachen Sachen kümmern? Jesus
möge meine Einfalt bemitleiden, aber ich habe Sie in diesem Königreich auf
einen Platz befördert, den niemand, niemand von Ihrer Herkunft in der ganzen
Geschichte dieses Landes je innehatte.« Er senkt die Stimme. »Glauben Sie, es
ist wegen Ihrer Schönheit? Wegen Ihrer angenehmen Gesellschaft? Ich behalte
Sie, Master Cromwell, weil Sie so gerissen wie ein Sack Nattern sind. Aber
seien Sie keine Schlange an meinem Busen. Ziehen Sie die Sache durch.«
    Als  er geht, bemerkt er die
Stille, die hinter ihm eintritt. Anne geht zum Fenster. Henry starrt auf seine
Füße.
     
    Und deswegen würde er Riehe am
liebsten wie eine Fliege totschlagen, als dieser hereinkommt und vor Aufregung
bebt, weil er Geheimnisse zu enthüllen hat; aber dann bekommt er sich in den
Griff und reibt sich stattdessen die Hände: der fröhlichste Mann in London.
»Nun, Sir Purse, haben Sie die Bücher zusammengepackt? Und wie war er?«
    »Er hat das Fenster
verdunkelt. Ich fragte ihn, warum, und er sagte: Die Waren werden weggenommen,
also schließe ich jetzt den Laden.«
    Er hält es kaum aus, daran zu
denken, wie More im Dunkeln sitzt.
    »Sehen Sie, Sir.« Riehe hat
ein zusammengefaltetes Stück Papier in der Hand. »Wir hatten ein Gespräch. Ich
habe es
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