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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal
Autoren: Heiner Lauterbach
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einzureißen. Die Film- und Literaturgeschichte ist voll von diesen Geschichten. Die Menschen mögen das.
    Auch mein Leben zwischen Exzessen, Affären und nächtelangen Partys möchte ich um keinen Preis der Welt aus meiner Biografie verbannen. Das war eine wilde Zeit, ich bereue sie nicht. Doch genauso froh bin ich heute, dass ich es geschafft habe, meinem Leben noch einmal eine Wende zu geben. Ich habe mich gefragt: Wäre das nicht eine Erzählung wert? Eine Geschichte über das Glück, das ich heute empfinde. Über die Freude an meiner Gesundheit und der meiner lebenslustigen kleinen Familie? Haben nicht alle gesagt, als ich meine erste Biografie geschrieben habe: »Ja, der spuckt jetzt große Töne. Lasst uns einmal abwarten, wie er in zehn Jahren darüber reden wird.« Viele dachten, ich würde es nicht lange aushalten ohne Wein, Weib und Gesang. Das traute Familienleben, das wäre nichts für mich.
    Es gibt da etwas, dass vielleicht noch viel schwieriger zu beschreiben ist als die Wandlung von Mr. Hyde zu Dr. Jekyll: das dauerhafte Glück. Die Fähigkeit, die kleinen Mäkeleien des Alltags zu überstehen, und ein Leben in Gleichmut und Frieden zu führen, ohne große Ausschläge nach oben, aber daher auch nicht mehr nach unten. Die Fähigkeit, seine eigenen kleinen Probleme zu relativeren und sich für das Glück im Alltag zu entscheiden.
    Es ist ja eigentlich absurd: Wenn im Kino überhaupt einmal ganz normale Szenen mit ganz normalen, glücklichen Menschen gezeigt werden, dann handelt es sich meist um den Anfang eines Psychothrillers. Das Glück dient in diesem Fall lediglich dazu, das darauf folgende Grauen nur noch schrecklicher über die heile Welt hereinbrechen zu lassen. Fast schon instinktiv ist man als Zuschauer darauf geeicht, mit dem Schlimmsten zu rechnen, sobald nur ein wenig Idyll oder harmonisches Familienleben gezeigt wird. Eine junge Frau, die fröhlich lachend in einen Wald hineingeht? Der Zuschauer ahnt bereits, worauf das hinausläuft. Sie kann eigentlich nur zerhackt und in blauen Müllbeuteln verpackt wieder herauskommen.
    Filme, die sich mit der wirklich schwierigen Frage beschäftigen, wie man glücklich wird und wie es nach dem Happy End weitergeht, sie werden so gut wie nie gedreht. Und wenn ich mich in der Welt der Literatur so umschaue, komme ich zu dem Schluss, dass Bücher auch nicht von wirklich glücklichen Menschen geschrieben werden. Zumindest schreiben sie selten über ihr Glück.
    Die zehn Jahre nach meinem Bruch mit dem alten Leben sind längst vergangen. Ich bin heute zufriedener, als ich es je war. Es war gar nicht einmal so schwer, das Leben zu ändern. Ich kann auch nicht sagen, dass ich jetzt nicht mehr ich selbst bin, dass der Heiner von früher der echte gewesen ist. Wie auch immer: Es hat sich gelohnt, das Ruder noch einmal herumzureißen. Auch wenn man es sich in besonders schlechten Momenten nicht vorstellen kann – es ist wirklich nie zu spät dafür. Und genau davon möchte ich hier erzählen. Und wenn es nur einen einzigen Menschen gibt, der dieses Buch liest und daraufhin beschließt, es mir gleichzutun, dann lohnt sich das für mich bereits. Denn ganz ehrlich: Alle Partys und Räusche der Welt sind es einfach nicht wert, auf das zu verzichten, was ich heute habe.
    Der amerikanische Schriftsteller William Faulkner ist offensichtlich ein direkter Nachfahre Leo Tolstois. Er hat einmal gesagt, dass er nur über unglückliche Menschen schreibt, weil glückliche Menschen langweilig seien: »Nur Gemüse ist glücklich.« Ich will hier nicht über Gemüse schreiben. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Kollegen Tolstoi und Faulkner ein wenig übertreiben. Denn die Frage, wie man es schafft, ein zufriedenes Leben zu führen und ob es überhaupt möglich ist, etwas zu ändern, wenn das eigene Leben wie festgefahren scheint, sie wird wohl jeden von uns beschäftigen. Viele wollen vielleicht nicht drüber schreiben, weil sie Angst haben, dass es keiner lesen mag. Ich wage den Versuch.
    Ich will aber auch gleich eines sagen: Ich bin natürlich kein Wissenschaftler und ich habe auch keine speziellen Techniken entwickelt oder Mittelchen entdeckt, von denen ich hier berichten könnte. Ich habe auch keine Internetadresse, auf der man dann die Pillen oder Tinkturen dazu bestellen könnte. Ich will auch kein Missionar sein. Meine bescheidene Botschaft ist vielmehr, dass jeder sein Leben ändern kann, so wie ich das gemacht habe – gerade weil ich ein ganz normaler
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