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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal
Autoren: Heiner Lauterbach
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Bauleiter. Mit meinem Freund Wolfgang Schmitz. Sie wissen schon, mit dem ich immer zum Fußball gehe. Mir war gar nicht klar, dass die sich kennen. Zufälle gibt es.
    »Hört sich interessant an«, sage ich zum Kunstregisseur und konzentriere mich wieder auf Michelle. Während ich gerade hoffe, dass sie in Verona oben auf dem Balkon einen kurzen Rock trägt, erklärt mein Kunstregisseur:
    »Der Film soll Der Rabe heißen.«
    Der Kellner kommt und bringt meinen Kamillentee. Ein kleines Gläschen mit vier Fingerhüten Wasser und dem Teebeutel drin. Ich halte die Winzigkeit gegen das Licht:
    »Wenn ich Ihr Urologe wär, würde ich sagen‚ da müssen wir aber noch mal ran.« Er versteht den Witz nicht, dafür weiß ich auf einmal, woher er mir so bekannt vorkommt. Er sieht meinem Metzger aus Münsing zum Verwechseln ähnlich. Der Typ, bei dem Vito immer die Wurst erbettelt.
    »Das erscheint ihnen seltsam?«, will der Kunstregisseur wissen.
    »Was?« Ich war nicht ganz bei der Sache.
    »Dass eine Romeo und Julia-Geschichte Der Rabe heißen soll?«
    Am liebsten würde ich ihm antworten: »Ich habe mir einmal einen Film von ihnen bis zur Hälfte angeguckt. Nie wieder wird mir etwas seltsam erscheinen.« Stattdessen sage ich, um erst mal Zeit zu gewinnen:
    »Nicht unbedingt.«
    »Wollen Sie mehr darüber wissen?« Ich will eher weniger darüber wissen, sage aber:
    »Unbedingt.«
    Jetzt entdecke ich auch noch den Geschäftsführer des Weltvertriebs, der eigentlich unseren Gangsterfilm finanzieren wollte. Mann, denke ich, man bräuchte einen Anrufbeantworter für Lokale. Er lehnt mit Herrn Wichtig und Frau Wichtig an der Bar. Was ist heute hier nur los. Würde ich gleich noch meinen alten Volksschullehrer treffen? Herr Weltvertrieb sieht zu mir rüber und lächelt mich an, als sei nie etwas gewesen.
    »Hallo«, sage ich und lächele zurück. »Wie geht’s?«
    »Danke, wie immer.« Er lächelt weiter.
    »Das tut mir leid«, sage ich, um das Gespräch kurz zu halten.
    In dem Moment bellt etwas. Ich brauche eine Weile, um zu realisieren, dass es sich um mein Handy handelt. Ich habe diesen Bell-Ton nur für die Anrufe von Viktoria reserviert. »Ah, mein Rottweiler ruft an«, pflege ich zu sagen, wenn ein paar Kumpels gerade in der Nähe sind, und komme mir ganz witzig dabei vor. Viktoria hat mir aus therapeutischen Gründen ein Paar Überbleibsel aus meiner alten Macho-Zeit gelassen.
    »Ja, mein Schnuffilein«, melde ich mich. Michelle beugt sich gerade zu mir, um mir etwas ins Ohr zu flüstern.
    »Wo bist du, Engelchen?«, will meine Frau wissen.
    »In der Stadt, ich treff’ mich gerade mit diesem Kunstregisseur.« Ich flüstere nun auch.
    Michelle ist immer noch an meinem Ohr. Es kitzelt, wie sie da so reinflüstert. Ich kann sowieso nicht verstehen, was sie flüstert, weil dieser Idiot nebenan immer noch so laut telefoniert.
    »Ich liebe dich, mein Schatz«, sagt Viktoria ins Handy. Wir machen das oft. Wir rufen uns ein paarmal am Tag an, nur um uns zu sagen, dass wir uns lieben. Weiter nichts. Nach elf Jahren noch.
    Jetzt kitzelt mein Ohr fast unerträglich.
    »Ich liebe dich auch, Schnuffi«, sage ich noch, werde noch einmal zum Butterflöckchen auf ihrer Herdplatte, bevor es mir orkanartig ins Ohr bläst. Ich schrecke hoch.
    Mein Sohn Vito steht vor dem Bett und schaut mich an. Ich lasse mich zurück in die Kissen fallen.
    »Vito, was machst du hier?«
    »Ich puste dir ins Ohr, Papi.«
    »Wieso?«
    »Nur so.«
    Ich sehe meinen Sohn an. Oh ja, ich liebe meine Kinder, denke ich, und schließe meine Augen wieder. Ist es nicht schön, an einem Sonntag einfach nur im Bett zu liegen – und zu träumen?
    Ende





























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