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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal
Autoren: Heiner Lauterbach
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Tages setzte ich mich ans Klavier und spielte ein Lied. In meinem Fall war es Lovestory . Ich war glücklich.
    So übe ich jeden Tag. Am Klavier und in der Theorie, also auf dem iPad, wann immer Zeit dafür ist. Auf dem Weg zum Dreh oder in Drehpausen. Im Warteraum beim Arzt, oder wo auch immer.
    Musik war ja schon immer ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Es gibt kaum etwas, was die Sinne des Menschen mehr betört und mehr erreicht, als der Klang von schöner Musik. Ich beneide die Musiker manchmal um diese große, ganz unmittelbare Kraft an Emotionalität, die sie erzeugen können. Und dieses starke Feedback, das sie bekommen. Das kann süchtig machen. Deswegen kehren vermutlich so viele Musiker wieder auf die Bühne zurück, die ihre Karriere eigentlich bereits für beendet erklärt hatten.
    Wann kann schon ein Politiker oder Wissenschaftler so starke Gefühle auslösen? Kennedy hat das vielleicht getan, als er gesagt hat: »Ich bin ein Berliner.« Oder Helmut Kohl in der Zeit der deutschen Wiedervereinigung. Aber das passiert eher selten.
    DAS ENDE VOM ANFANG
    Vor ein paar Tagen bekam ich einen Anruf. Ich war völlig überrascht. Mein Kunstregisseur. Tatsächlich, der aus dem Extra-Blöd. Der mich besetzen wollte, dessen Frau nach dem vierten Orgasmus »Danke Heiner!« gesagt hat. Offensichtlich hat er mir meinen kleinen Scherz nach zwanzig Jahren vergeben. Denn er will mich besetzen. Ist das nicht der Hammer?
    Aber es kommt noch besser. Meine Partnerin soll Michelle Pfeiffer werden.
    »Michelle Pfeiffer?«, frage ich.
    »Ja, haben Sie was gegen sie?«, fragt er am Telefon.
    »Ob ich was dagegen habe?« Ich versuche cool zu bleiben. Überlege einen Moment. »Nö, die ist schon okay.« Cooler als ich kann man wirklich nicht sein.
    Wir verabreden uns für die kommende Woche. Wieder im Extra-Blöd klar. Aus Sentimentalität.
    Pünktlich, rasiert, geduscht und nüchtern komme ich zum verabredeten Treffpunkt. Hinten in einer Ecke sehe ich schon den Kunstregisseur mit einer scharfen Braut sitzen. Ich erkenne ihn sofort, denn er hat sich überhaupt nicht verändert. Davon abgesehen, dass sie alle langweilige Filme machen, verbindet sie noch was, denke ich, während ich an seinen Tisch gehe. Sie verändern sich ein Leben lang nicht. Ich glaube, das liegt aber nicht daran, dass sie im Alter noch so verdammt jung aussehen. Sondern daran, dass sie mit 17 schon wie ein Endfünfziger wirken. Lediglich die Stärke ihrer Brillengläser nimmt zu. Ansonsten kommen sie ihr Leben lang mit einem Passbild aus.
    Ich begrüße ihn. Er scheint mir fast ein wenig verdattert, mich so ohne Fahne und dummen Spruch anzutreffen. Dann stellt er mir seine Begleitung vor. Ich bin froh, dass ich mich gleich setzen kann, denn es ist tatsächlich Michelle Pfeiffer. Ich bin »deeply impressed« versichere ich ihr und kann die Augen gar nicht mehr abwenden. Klar, sie ist ein bisschen in die Jahre gekommen, aber wer ist das nicht?
    Alter hin oder her, denke ich mir‚ die Dame hat einen Blick, den man zu militärischen Zwecken einsetzen könnte. Man sagt ja, dass Frauen ab fünfzig nicht mehr verstecken spielen sollten, weil sie sowieso keiner mehr sucht. Aber dafür würde ich bei Michelle meine Hand nicht ins Feuer legen.
    Die Bedienung kommt mir irgendwie bekannt vor. »Was darf’s sein?«, fragt der Typ in stark bayerischem Dialekt. Ich habe Mühe, ihn zu verstehen, denn neben uns sitzt so ein Idiot, der in sein Handy brüllt, als wäre er allein auf der Welt. Seine Begleitung trägt eine Panoramabluse mit einem Balkon dran, auf dem man Shakespeare spielen könnte. Die hatte offensichtlich beim Schnippler »Zwei Mal Honigmelone!« bestellt. Wenn die hier rumhüpft, mutmaße ich, wackelt der Laden mehr als ihr Busen.
    »Einen Kamillentee, bitte«, sage ich dem Kellner, von dem ich immer noch nicht weiß, an wen er mich erinnert. Immerhin weiß ich dafür jetzt, dass er nichts von Kamillentee hält, denn er macht das dementsprechende Gesicht. Auch mein Kunstregisseur scheint mit meiner Bestellung Probleme zu haben. Er schaut mich ungläubig von der Seite an. Wahrscheinlich denkt er, ich habe ein Double geschickt.
    Er erzählt mir jetzt von seinem Filmprojekt. Er wolle die Geschichte von Romeo und Julia erzählen. In heute. Und in alt. Mit Michelle und mir. Was aus ihnen geworden wäre, wenn … Während ich gerade überlege, woher mir das nun wieder bekannt vorkommt, sehe ich ein paar Tische weiter Punkt-Absatz sitzen. Unseren früheren
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