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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal
Autoren: Heiner Lauterbach
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nichts, wenn ich sage, ich hatte vor allem verdammt viel Glück im Leben. Die kommen damit trotzdem nicht klar. Das ist schade, denn ich kann ja nichts dafür.
    Neid kann übrigens sehr weit gehen. Manche sind sogar neidisch darauf, dass der andere mehr beneidet wird.
    Aber wie gesagt, beim Neid sollte sich jeder zuerst an die eigene Nase fassen. Selbst die Amerikaner, denen man immer nachsagt, sie könnten so schön gönnen. Wenn ich sehe, wie die Oscar-nominierten Kollegen dem Gewinner bei der Verkündigung zujubeln, versuche ich manchmal, in ihren Gesichtern zu lesen. Dann denke ich mir oft: Ist vielleicht besser so, dass man nicht hört, was sie wirklich denken. Und frage mich, ob da hinter der ein oder anderen gelifteten Stirn vielleicht weniger hehre Gedanken vorgehen, als das einstudierte, auf aufrichtig getrimmte Hollywood-Lächeln vorgibt.
    Es liegt wohl in der menschlichen Natur, dass wir ein bisschen neidisch aufeinander werden können. Ich will dazu stehen und darauf achten, dass es nicht überhandnimmt. Dass es nicht zum beherrschenden Gedanken wird. Ich trainiere das Gönnen. Das kann nämlich Spaß machen. Das klingt jetzt so, als hätte ich ein ernstes Problem damit. Vor allem wollte ich der Erste sein, der zugibt, dass er hin und wieder neidisch ist und nicht nur über den Neid der anderen klagen.
    IN GESELLSCHAFT FUSSBALL GUCKEN
    Ich war auch schon immer neidisch, wenn ich Fußballfans anderer Nationen bei der Nationalhymne laut grölen hörte. Wie sie die Hand aufs Herz legten und mit feuchten Augen die Nationalflagge betrachteten. Bei uns war das verpönt, und man wurde sofort in die Nähe des Nationalsozialismus gestellt, wenn man die Melodie der Hymne nur mitsummen wollte.
    Ich habe auf meiner Internetseite vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland geschrieben: »So, jetzt hören wir mal alle mit der Meckerei auf und holen unsere Fahnen raus und feuern unser Land schön an.« Das war zwei Wochen vor Beginn der WM . Da ahnte ich noch nicht, dass der Patriotismus in eine gigantische Hysterie ausufern sollte. Dabei ging es hier wohl eher um dieses Feiergefühl an sich. Das ganze Land war auf einmal in Party-Stimmung. Der Fußball rückte dabei fast in den Hintergrund. Der Event auf der Party-Meile war das eigentliche Ereignis. Ich habe ohnehin das Gefühl, dass die jungen Leute immer mehr und am liebsten nur noch feiern wollen. Die Menschen wollen ständig »Party machen«. Der Begriff hat sich in den 80er Jahren entwickelt. Davor machte man mal »eine Party«, aber jetzt ist das schon so ein Begriff für einen Dauerzustand, wie »in Rente sein« oder »von nix ’ne Ahnung haben«. Party machen ist eine Lebensphilosophie geworden.
    Oder – im Zeitalter des Burnouts – noch beliebter: »rumchillen«. Die neue Mode. Das heißt dann wohl »entspannt Party machen«, oder wie man heute noch blöder formulieren würde: »unaufgeregt Party machen«. Party ohne Anstrengung, weil das Feiern sonst auch schon wieder etwas mühsam ist.
    Ich sah in den Zeitungen dann Bilder von 250000 Leuten, die am Brandenburger Tor standen und Party machten. Ich glaube, dass die wenigsten davon überhaupt noch auf die Leinwand geschaut haben. Und wie viel Frauen und Mädchen da rumhüpften. Flaggen ins Gesicht geschminkt wie die Indianer auf dem Kriegspfad. Fast wünschte man sich die alten Zeiten zurück, als unter den 50000 Zuschauern im Kölner Stadion vielleicht zwei Dutzend Frauen waren. Das waren dann meistens die Spieler- und Toilettenfrauen.
    Man möge mich nicht falsch verstehen. Ich finde es wunderbar, wenn sich Frauen für Fußball interessieren. (Stopp. Ich wollte nicht lügen in diesem Buch. Ich find’s okay.) Wenn sie sich denn dafür interessieren und es nicht nur vorgeben. Und nicht nur einen Grund suchen, Party zu machen.
    Ein Beispiel – die Männer unter ihnen kennen das garantiert: Ich gucke Fußball, vielleicht mit ein paar Freunden im Wohnzimmer. Nebenan in der Küche (meinetwegen auch im Garten) sind meine Frau und ihre Freundinnen. Auf einmal geht die Tür auf und eine Dame kommt herein. Sagen wir, sie muss irgendetwas aus dem Wohnzimmer holen. Sie geht durchs Zimmer und fragt: »Wie steht’s denn?« Es gibt verschiedene Reaktionsmöglichkeiten, anhand derer sie den Echtheitsgehalt dieser Frage prüfen können.
    Reaktion eins: Antworten Sie gar nicht. Sie werden sehen, den meisten Frauen fällt das überhaupt nicht auf. Sie haben das Gesuchte gefunden und verschwinden wieder.
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