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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal
Autoren: Heiner Lauterbach
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wahrscheinlich wieder »Määhääähäää« blöken.
    So einfach ist das.
    Ich weiß schon – das ist der Käse mit der Individualität. Wir wollen alle individuell sein. Aber warum blöken dann die anderen immer noch dasselbe? Vielleicht, weil sie es noch nicht gemerkt haben. Aber wenn alle Menschen individuell sind, ist es doch nicht mehr individuell, wenn man individuell ist. Muss man dann wieder das machen, was alle machen, um individuell zu sein? Keine Ahnung.
    MAGISCHE KRÄFTE
    Immer wieder versuche ich meine Familie von meinen magischen Kräften zu überzeugen. Klar, ich bin im magischen Zirkel und kann ein bisschen zaubern. Kartentricks und so. Ich hab ein paar Bekannte, die Zauberer sind, die mir schon mal das ein oder andere verraten. Von Kollege zu Kollege sozusagen. Fürs Erste kann man liebende Frauen und kleine Kinder damit beeindrucken. Nach einer Zeit verfliegt dann allerdings die Magie und man muss sich was Neues einfallen lassen. Insofern war es mir rückblickend gar nicht so Unrecht, dass wir unlängst einen ungebetenen und aufdringlichen Besucher hatten.
    Jeden Morgen kam er pünktlich zu Besuch, immer wenn die Sonne aufging. Er war schwarz, laut und fast so groß wie ein Schuhkarton.
    Ein Rabe.
    Entweder ist das Vieh auf Viktorias Auto herumstolziert und hat gekräht wie ein Irrer. Oder er ist vor das Küchenfenster geflogen und hat gegen die Scheibe gehackt. Dabei hat er nach und nach den ganzen Fensterkitt aus den Fugen geholt.
    Zuerst haben wir gedacht, das Tier wäre vielleicht schwachsinnig geworden. Tollwut, LSD , was weiß ich. Wir überlegten auch, ob es Liebeskummer gibt bei Tieren. Dann haben wir uns informiert. Wir waren bei Weitem nicht die einzigen mit diesem Problem. Die Vögel sehen sich selbst in einer spiegelnden Fensterscheibe, und denken dann, da wäre ein Eindringling in ihrem Revier. Deshalb hacken sie unermüdlich darauf ein. Je aufgeregter sie hacken, desto wilder reagiert der vermeintliche Eindringling. So schaukeln sie sich hoch.
    Das habe ich dann meinem Musiklehrer Walti erzählt. Ich habe ihm gesagt: »Ich glaube, ich muss den abknallen, wir werden sonst alle verrückt.«
    Walti war entsetzt. »Das darfst du nicht machen, Heiner!« Er hat mich angeschaut, als hätte ich ihm eben vorgeschlagen, kleine Kinder zu grillen, um sie zu verspeisen. Sein Nachbar sei Bauer, warnte er mich außerdem. Und der habe das mal gemacht, der habe so einen Raben erschossen. »Und dann ist die ganze Rabenfamilie gekommen und die haben den richtiggehend terrorisiert.«
    Diese Viecher seien extrem nachtragend, geradezu mystisch. Da müsse man aufpassen. »Das bringt Unglück.«
    Mystisch dachte ich mir, das ist meine Abteilung. Da ist der Papa doch zu Hause.
    Also habe ich zu Viktoria gesagt: »Na gut, ich hätte mich eh schwergetan, ein Tier so einfach zu erschießen. Wir machen Folgendes: Ich denke heute Abend vor dem Schlafengehen intensiv an den Raben. Ich richte ihm aus, er soll die Platte putzen, sonst gibt’s Saures. Ich schick ihm meine Warnung rüber. Telepathisch sozusagen.« Ich sah Viktoria sehr ernst an, sodass sie sich vermutlich nicht traute, meine telepathischen Fähigkeiten in Frage zu stellen. Stattdessen zweifelte sie an dem Tier: »Und wenn der Rabe deine Botschaften nicht empfangen kann?«
    »Dann hat er Pech gehabt«, stellte ich ziemlich unmystisch fest.
    Am nächsten Tag war das Tier weg.
    Ich schwöre es!
    Ich weiß natürlich, dass es solche Zufälle geben kann. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. Ich meine, was gibt es alles auf der Welt, von dem wir keine Ahnung haben?
    Mein innerfamiliäres Ansehen ist dadurch kurzfristig immens gestiegen. Mit so etwas kann man bei Frau und Kindern Eindruck schinden, mehr als mit einem hohen Gehaltsscheck oder dem perfekten Frühstück. Ich habe es sehr genossen, ein paar Tage lang mit der angemessenen Ehrfurcht behandelt zu werden. Bevor sie mir wieder auf der Nase herumtanzten.
    VOM ZAUBER DER MUSIK
    Ich habe früher schon viel Musik gemacht, schon mit fünfzehn Schlagzeug und Gitarre in einer Band gespielt. Aber eines Tages richtig gut Klavier spielen zu können, das war immer ein großer Wunsch. Als Junge habe ich zusammen mit meiner Mutter damit angefangen, es aber bald wieder einschlafen lassen. Natürlich hatte ich damals viel zu viele andere Flausen im Kopf, um so etwas Mühevolles wie das Klavierspiel wirklich ernsthaft zu erlernen.
    Das wollte ich jetzt nachholen, auch wenn das in späten Jahren natürlich weitaus
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