Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 05 - Der Kapitän

Hornblower 05 - Der Kapitän

Titel: Hornblower 05 - Der Kapitän
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
1. Kapitel
    Bald nach dem Anbruch der Morgendämmerung betrat Kapitän Hornblower das Achterdeck der Lydia . Bush, der wachhabende Offizier, führte grüßend die Hand an den Hut, sagte aber nichts. Im Verlauf einer sieben Monate lang dauernden Reise, bei der man kein Land berührt hatte, war er sich über manches klargeworden, was dem Kommandanten gefiel oder nicht gefiel. So durfte man ihn zum Beispiel während der ersten Stunde des Tages nicht anreden oder auf andere Weise seine Gedankengänge unterbrechen. Den ständigen Befehlen entsprechend, die infolge der ungewöhnlichen Länge der Fahrt bereits zur Überlieferung geworden waren, hatte Bootsmann Brown dafür gesorgt, daß die Luv, also die dem Winde zugekehrte Seite des Achterdecks schon beim ersten Tagesschimmer mit Sand und Steinen gereinigt worden war.
    Sowie Hornblower erschien, zogen sich Bush und der Midshipman der Wache auf die Leeseite zurück, worauf Hornblower sofort mit seinem einstündigen Morgenspaziergang begann. Er beschränkte sich darauf, auf dem sieben Meter langen, eigens für ihn mit Sand bestreuten Teil der Deckplanken auf und nieder zu gehen. Auf der einen Seite wurde seine Wanderung durch die Gleitschienen der Deckgeschütze begrenzt, auf der anderen durch die in das Deck eingelassenen Ringbolzen, an denen die Taljen zum Richten der Kanonen angeschlagen wurden. So kam es, daß die Fläche, auf der sich Hornblower frühmorgens Bewegung zu machen pflegte, fünf Fuß breit und einmal zwanzig Fuß lang war.
    Schnellen Schrittes wanderte der Kapitän hin und her, hin und her. Obwohl er ganz in Gedanken versunken war, wußten seine Untergebenen doch aus Erfahrung, daß sein seemännischer Instinkt stets wach blieb. Unbewußt bemerkte er den über die Decksplanken fallenden Schatten der Takelage des Großmastes, und er spürte den Luftzug auf seiner Wange, so daß die geringste Unachtsamkeit des Rudergängers eine Zurechtweisung seitens des Kommandanten nach sich zog; sie fiel um so schärfer aus, als Hornblower in der wichtigsten Stunde seines Tagewerks gestört wurde. In gleicher Weise nahm sein Unterbewußtsein die Wind und Wetter betreffenden Tatsachen zur Kenntnis. Beim Erwachen hatte er, ohne es bewußt zu wollen, noch in der Koje liegend, an dem über ihm im Deck befestigten Kajütskompaß festgestellt, daß Kurs Nordost anlag, wie das seit drei Tagen der Fall war. Ebenso unwillkürlich erkannte er beim Betreten des Oberdecks, daß die westliche Brise gerade ausreichte, das Schiff steuerfähig zu erhalten, daß alle Segel bis zu den Royals standen, daß der Himmel ein ungetrübtes Blau zeigte und daß die See fast spiegelglatt war.
    Gewichtig und gleichmäßig glitt die Lydia über die langgestreckte, friedliche Dünung.
    Der erste bewußte Gedanke des Kommandanten bestand in der Beobachtung, daß der im Morgenlicht tiefblaue und gegen den Horizont hin silbrig werdende Pazifik einem in Silber und Blau gehaltenen Wappenschild ähnelte, und dann schmunzelte Hornblower fast ein wenig, denn dieser Vergleich drängte sich ihm seit vierzehn Tagen jeden Morgen auf. Der Gedanke und das Schmunzeln machten sein Hirn im Augenblick ganz klar. Er sah drunten auf dem Hauptdeck die Leute mit Sand und Steinen schrubben. Man unterhielt sich in gleichbleibendem Tonfall.
    Zweimal vernahm er ein Lachen. Das war gut so. Leute, die plauderten und lachten, sahen nicht danach aus, als planten sie eine Meuterei. An solche Möglichkeit hatte Kapitän Hornblower aber letzthin immer wieder denken müssen. Sieben Monate befand sich das Schiff in See. Die Vorräte waren fast aufgezehrt.
    Vor acht Tagen hatte er die tägliche Wasserration auf einunddreiviertel Liter herabsetzen müssen, und das war für Männer, die zehn Grad nördlich des Äquators vorwiegend von Salzfleisch und Hartbrot leben mußten, nicht viel, zumal das seit über einem halben Jahr mitgeführte Wasser schon fast zu einem grünlichen, von Lebewesen wimmelnden Schlamm geworden war.
    Ebenfalls vor einer Woche hatte Hornblower den letzten Zitronensaft austeilen lassen. Innerhalb eines Monats durfte man mit dem Auftreten von Skorbut rechnen; und dabei befand sich kein Arzt an Bord, denn Hankey war, als man in der Höhe des Kap Hoorn stand, der Syphilis und den Folgen alkoholischer Ausschweifungen erlegen. Seit Monatsfrist gab es wöchentlich fünfzehn Gramm Tabak, und Hornblower beglückwünschte sich dazu, daß er den Tabakvorrat in persönliche Verwaltung genommen hatte. Hätte er das unterlassen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher