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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal
Autoren: Heiner Lauterbach
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mich in mein Bett. Ich werde noch ein Stündchen schlafen. Ich mach das sonntags immer so. Ich bin nach dem gemeinsamen Frühstück einfach zu kaputt, um mich dem Tag zu stellen. Ich werde schlafen. Und träumen. Ich werde träumen, es ist Sonntag. Ich wache auf und höre nichts. Es ist still. Ein paar Vöglein zwitschern vielleicht. Im Sommer. Im Winter höre ich nur das Blut in meinen Ohren rauschen …
    DIE WURZELN DES GESCHREIS
    Ich habe ja schon in vielen Ländern gedreht, und daher ganz gute Vergleichsmöglichkeiten, was die landestypischen Distanz- und Lautstärkegewohnheiten betrifft. Generell lässt sich sagen: Je weiter man von München aus Richtung Mittleren Osten kommt, desto lauter wird es. Italien hat schon einen erheblich höheren Grundton als Deutschland.
    Als ich 2008 und 2009 in Israel die Kommissar Ochajon -Reihe für das ZDF drehte – der Jerusalemer Hauptkommissar entstammt den Romanen der 2005 verstorbenen israelischen Autorin Batya Gur –, hatte ich schon Probleme, mich an die vorherrschende Grundlautstärke zu gewöhnen.
    Ich besuchte dort regelmäßig das Fitnessstudio unseres Hotels. Als ich dort zum ersten Mal erschien, um meinen Körper zu ertüchtigen, wunderte ich mich nicht schlecht, dass da jeder der zehn Fernseher eingeschaltet war und auf voller Lautstärke lief. Alle auf unterschiedlichen Sendern, versteht sich. Der Laden war ungefähr zur Hälfte gefüllt, sodass fünf Fernseher völlig nutzlos vor sich her flimmerten. Das schien die dort versammelten Israelis aber nicht zu stören. Einige hatten sogar noch die Muße, nebenher auf ihrem Handy zu telefonieren. Natürlich mussten sie dafür ziemlich brüllen, um das Spektakel zu übertönen. Andere, denen die Entertainmentauswahl offensichtlich nicht groß genug war, hatten noch Ohrstöpsel drin, aus denen vermutlich Geräusche kamen, die ich gar nicht kennen will. Ich begab mich auf den letzten freien Crosstrainer und fing mit meinem Workout an. Zu meinem Bedauern musste ich feststellen, dass die Herrschaften auch noch untereinander kommunizierten. Da flog schon mal ein Handtuch über mich hinweg, dass sich mein rechter Nachbar vom Linken auslieh, oder jemand übergab das Handy seinem Kumpel, der dem Zuhörer am anderen Ende nochmals die ganze Geschichte auf hebräisch in die Muschel brüllte. Meine »Friede sei mit dir«-Gebete murmelnd, schwitzte ich vor mich hin. (Meine Frau hat mir beigebracht, in Momenten, in denen ich die Geduld zu verlieren drohe, »Friede sei mit dir« vor mich her zu sagen. Das hilft wirklich.) Ich hatte das Gefühl, viel früher zu schwitzen als sonst. Vermutlich lag es am Krach.
    Ein stattlicher Israeli betrat den Raum. Ein Baum von einem Kerl. Wüste Tätowierungen bedeckten seine Oberarme, die den Umfang meiner Oberschenkel hatten. Eine toilettendeckelgroße Hand hielt sein Handy schon am Ohr. Offensichtlich hatte er jemand in der Leitung, den er nicht mochte. Während ich dankbar darüber war, nicht der Mann zu sein, mit dem er sich gerade unterhielt, baute sich dieses Tier genau vor meinem Crosstrainer auf. Gerade so weit entfernt, dass ich ihm mit den ausladenden und hin und her schwingenden Teilen meines Gerätes nicht die Schienbeine zertrümmern konnte. Ich wollte es nicht glauben. Er machte einfach keine Anstalten weiterzugehen. Der Raum war ungefähr 200 Quadratmeter groß und ziemlich leer. Aber er hatte sich genau den einen Quadratmeter vor meinen Augen ausgesucht, der mich seinen heißen Atem spüren ließ. Hin und wieder trafen sich unsere Blicke und ich muss zugeben, dass mich seine gefährlich blitzenden Augen erheblich einschüchterten. Mit einem letzten Fluch beendete er sein Gespräch. Nun wandte er sich mir zu. Ich hatte das Gefühl, es wäre besser, ihn nicht zu provozieren. Ich grinste ihn an. Freundlich, aber unaufdringlich. Darauf brüllte er mich an.
    Ich war mir keiner Schuld bewusst. Trainierte ich an seinem Gerät, hatte ich eine Reservierungstafel übersehen oder sonst irgendeine unsichtbare Regel verletzt? Ich verstand seine Sprache nicht, aber beim Reden traten seine Adern am Hals hervor, und was er da ausstieß, verhieß nichts Gutes.
    Ich schaute mich im Studio um. Niemand schien unseren Disput zu bemerken. Mir wurde es ein wenig mulmig. Würde es zu einer Prügelei kommen, ich müsste schon zu extremer Heimtücke greifen, um da heil wieder herauszukommen. Leider war ich auch völlig unbewaffnet zum Sport gegangen.
    Da sah ich seine Schneidezähne blitzen, seine
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