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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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PROLOG
    Lhiannon erzählt …
    Am Samaine-Fest öffnen wir unsere Türen den Seelen all derer, die von uns gegangen sind. Heute vermag ich mich der Toten leichter zu entsinnen als zu deren Lebzeiten. Erinnerungen an unscheinbare Kleinigkeiten werden wach, an Gewänder oder Gepflogenheiten der Frauen, die Priesterinnen waren, als ich noch jung war und alle Mühe hatte, die Namen der Mädchen zu behalten, die mir nun dienen. Selbst jetzt, zur Jahreszeit der eisigen Winde und fallenden Blätter, ist das Haus, das sie für mich unter den Bäumen von Vernemeton errichtet haben, heimelig und behaglich. Doch wenn ich zurückdenke an unsere Heilige Stätte auf der Insel Mona, dann sehe ich den Ort im goldenen Licht der Nachmittagssonne, denn Oakhalls war ein Ort der Magie.
    Die Mädchen hier sind im Schatten Roms herangewachsen. Wie kann ich ihnen die Pracht und Herrlichkeit jener Welt vermitteln, in der wir einst gelebt haben, damals, bevor die römischen Legionen kamen? Unsere Kultur war, so denke ich, nicht vollkommener als jede andere auch, aber sie war unsere eigene. Zwar haben die Druiden von Oakhalls eine hohe Kultur bewahrt, doch die können wir hier allenfalls als schwachen Abglanz pflegen.
    Wenn wir überleben wollen, so sagt Ardanos, dann müssen wir unsere Häupter neigen, unsere Macht verbergen und Zugeständnisse machen. Ich widerspreche ihm nicht – wozu auch? Doch manchmal wünschte ich, dass wir diesen jungen Menschen begreiflich machen könnten, warum wir für unsere Freiheit gekämpft haben. Man sagt, der Bund der Raben werde sich wieder erheben. Werden sie die Herrin der Raben anrufen, sie zuführen! So wie Boudicca es tat und Rom fast in die Knie zwang. In jenen Tagen liebten wir zutiefst und wagten Großes. Heute bleibt uns nur auszuharren. Eilan, die Enkelin von Ardanos, ist die Nächste, die mir dienen wird. Wenn wir heute Abend darauf warten, dass die Prozession der verstorbenen Seelen durch meine Tür schreitet, dann werde ich ihr die Geschichte vielleicht erzählen …

EINS
    Kurz vor Sonnenuntergang waren sie auf der Insel der Druiden angekommen. Boudicca saß kerzengerade im Sattel, damit niemand merkte, welch große Angst sie hatte. Flüchtige Erinnerungen wurden wach von blauen Wassern im dunstigen Schleier der Magie, von Runddächern vor einem verblassenden Himmel, von einer Schar bärtiger Männer in weißen Roben, von verschleierten Frauen mit Augen voller Geheimnisse, und sie spürte die angstvolle Erregung, als sie das Wachtor von Oakhalls mit den geschnitzten und bemalten Pfeilern passierten.
    Man hatte sie ins Haus der Priesterschülerinnen gebracht. Sie wusste nicht, ob es die Erschöpfung war oder die Magie des Ortes, die sie erzittern ließ.
    »Ist es hier immer so kalt?«, fragte Boudicca. Acht Mädchen, unterschiedlich groß, starrten sie an.
    »Kalt?«, erwiderte eines von ihnen mit dunklem Haar, das sich als Brenna vorgestellt hatte. »Im Winter natürlich, im Frühling nicht!« Brenna trug wie alle Mädchen eine schlichte, ärmellose Tunika aus ungefärbtem Leinen, die von einem grünen Gurt und bronzenen Spangen an den Schultern zusammengehalten war.
    »Du wirst lernen, dein inneres Feuer am Lodern zu halten, damit du nicht frierst«, fuhr Brenna fort. »Aber mal sehen, ob wir es hier drinnen nicht wärmer bekommen …« Sie runzelte angestrengt die Stirn und vollführte eifrig irgendwelche Gesten, bis die Scheite auf dem Feuerherd in der Mitte des Raumes plötzlich helle Flammen schlugen. Brenna lächelte zufrieden, woraus Boudicca schloss, dass sie diese Kunst gerade erst erlernt hatte. Sie erwiderte ihren Blick ebenfalls mit einem Lächeln, bemüht, nicht zu zeigen, dass sie von dieser Meisterleistung tief beeindruckt war.
    Wie gut sie die wollene Tunika und die Kniehosen, die sie auf ihrer Reise während des vergangenen Monats darunter trug, gewärmt hatten, wurde ihr nun erst richtig bewusst. Die schlichten Gewänder der Mädchen schienen dagegen eine spärliche Wahl. Und um sich zu waschen, badeten die Druiden wahrscheinlich im eiskalten Flusswasser. Sie richtete sich auf und strich über den Fuchspelz, mit dem ihr Umhang gesäumt war und der fast die Farbe ihres Haares hatte. Sollten die anderen sie ruhig für eitel halten, immer noch besser, als weichlich zu erscheinen. In den ersten Nächten ihrer Reise durch Britannien hatte sie geweint, zusammengekauert unter Umhang und Decken auf dem harten Boden … aber nein, das würde sie jetzt nicht tun.
    »Du kommst vom Land
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