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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal
Autoren: Heiner Lauterbach
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Mensch bin. Davon abgesehen, dass ich Schauspieler bin und mir im Leben vielleicht ein paar krasse Dinge mehr passiert sind als dem Durchschnittsbürger, halte ich mich nicht für anders. Ich bin auch gewiss kein Philosoph oder Theologe, ich habe mir einfach im Laufe der Zeit nur so meine Gedanken über das Leben gemacht.
    Woher kommen wir, wohin gehen wir, und was kann man überhaupt wissen über uns und den Stoff, aus dem das alles gemacht ist? Die Wissenschaftler suchen unter Hochdruck nach Antworten, und ich verfolge diese Suche schon seit Jahren sehr gebannt; sei es nun die Suche im Großen, im Weltall, mit seinen schwarzen Löchern, den roten Riesen, Supernovas, der Urknall-Theorie und der Quantenmechanik. Oder, für viele Physiker noch spannender, die Suche im Kleinen, die Welt der Quarks und des nun am CERN entdeckten Higgs-Teilchens. Am Ende gelangt man immer an die gleiche Frage: ob man überhaupt etwas wissen kann, ob so etwas wie Erkenntnis grundsätzlich möglich wäre.
    Die kleinen Probleme, die mich im Alltag heute natürlich noch genauso nerven wie früher, relativieren sich aber, wenn man einmal einen Schritt zurücktritt und versucht, eine andere Perspektive auf das Leben einzunehmen.
    Wenn ich morgen in einen Wald gehe und im Vorbeigehen auf einen Ameisenhaufen spucke, dann wird die von meiner Spucke getroffene Ameise einen Mordsschrecken kriegen. Sie wird denken, ein Ameisen-Tsunami habe sie erwischt. Kein Gehirnforscher dieser Welt wird ihr nur im Entferntesten vermitteln können, was gerade passiert ist. Dass es andere Lebewesen außer ihr und ihren Brüdern und Schwestern gibt, wird sie sich nicht vorstellen können. Dass dieser enorme Schatten da über ihr ein Mensch ist, der denken und bewusst handeln kann. Dass dieser Mensch gleich in sein Auto steigt und mit 200 Sachen über eine Autobahn in eine Großstadt rast, am nächsten Tag in ein Flugzeug steigt oder sich die Mondlandung auf YouTube ansieht. Es wird ihr auch mit noch so viel Geduld nicht in ihren kleinen Ameisenkopf hineinzubringen sein, dass es den Mond gibt oder Teilchenbeschleuniger oder Alkoholprobleme. Aber letztlich: Wer sagt mir eigentlich, dass ich in einer grundsätzlich anderen Situation lebe als diese Ameise, die nur ihren Waldboden kennt und ihren Ameisenbau und den Weg zur nächsten Eiche. Wer sagt überhaupt, dass ich mir einbilden darf, mehr zu verstehen von dem, was um mich herum so alles vor sich geht? Vermutlich gucken wir Menschen einfach nur in einem etwas vergrößerten Maßstab auf das Ganze. Obwohl wir letztlich genauso wenig vom Universum wissen wie die Ameise vom Mond. Aber ich fürchte, das, was für uns die Unendlichkeit ist, ist der Mond für die Ameise.
    Auf diesem Glauben beruht meine heutige Lebensphilosophie. Wir wissen nichts und sind von keiner großen Bedeutung in der galaktischen Unendlichkeit. Dass ich erkannt habe, wie belanglos meine Existenz letztlich ist, könnte mich geradewegs in die Resignation führen. Stattdessen versuche ich lieber, die Dinge gelassener zu nehmen. Was mir übrigens nicht immer gelingt. Die Dinge gelassener zu nehmen würde ich auch vielen meiner Mitmenschen empfehlen. Wie zum Beispiel Kritikern und Nörglern, Society-Experten, den vielen selbsternannten Wächtern des guten Geschmacks, die sich garantiert melden werden, wenn dieses Buch erschienen ist. Nach dem Motto: Muss denn schon wieder ein Promi ein Buch schreiben? Was glaubt denn der Lauterbach uns noch unbedingt mitteilen zu müssen? Diesen Leuten kann ich nur sagen: Der Rücken meines Buches wird maximal 5 Zentimeter breit. Das heißt, wenn’s im Regal steht, ist man in 0,2 Sekunden dran vorbeigelaufen. Tun Sie’s einfach. Und regen Sie sich nicht auf.
    Aber denen, die nicht so denken, die bereit und interessiert sind, sich ohne Häme oder Sarkasmus auf eine kleine Reise zu begeben, durch die Welt meiner Phantasie, denen wünsche ich nun viel Spaß.

ICH HATTE EINEN TRAUM
    An normalen Sonntagen bin ich der Erste in unserer Familie, der wach wird. Ich öffne die Augen und höre nichts. Im Sommer vielleicht ein paar Vöglein zwitschern, im Winter nur noch das Blut in meinen Ohren rauschen. Ich genieße diese Stille sehr. Ich atme tief durch und denke – der Tag kann kommen. An normalen Sonntagen.
    Vorsichtig schäle ich mich aus der Decke. Meine Frau Viktoria, die neben mir liegt, seufzt nur kurz zufrieden (zumindest interpretiere ich das so) und dreht sich dann auf die andere Seite. Ich schaue sie mir genau an.
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